Der Sommer deines Todes
ich von Mac einen roten Kaffeebecher mit diesem Motto geschenkt. Eine nett gemeinte Geste mit leicht spöttischem Unterton, die ich gar nicht witzig fand.
Ich begebe mich ins Wohnzimmer, das ich schon von Marys Picknickfoto kenne: dunkler, leicht staubiger Holzfußboden, eine lange Couch, über die jemand eine orangefarbene Tagesdecke geworfen hat, große Hängelampen, deckenhohe, vollgestopfte Bücherregale. Durch die geschlossenen Fensterläden fällt kaum Licht.
Mac tritt hinter mich und lässt die Koffer fallen. «Wo stecken sie nur?»
«Hier ist es totenstill, Mac.»
«Lass uns das Haus erkunden. Wahrscheinlich halten sie ein Mittagsschläfchen. Die Sonne hier schafft jeden.»
Er folgt mir in die kleine, fensterlose Küche, wo sich das Geschirr in der Spüle stapelt. Von der Küche gelangt man in ein Arbeitszimmer. Danach schauen wir uns in den beiden unteren Schlafzimmern um. Anhand des Gepäcks und des Durcheinanders kann man ablesen, in welchem Raum Mary schläft und in welchem sich die beiden Jungs eingenistet haben. Dathi hat gleich das erste Zimmer im oberen Flur belegt. Auf dem Boden liegt ihr Koffer mit den ordentlich zusammengefalteten Kleidungsstücken; in einer Zimmerecke steht ein Bett. Am hinteren Ende des Flurs finden wir ein Schlafzimmer, das noch frei ist. In dem Raum gibt es ein Doppelbett mit einer gelben Tagesdecke, einen Deckenventilator und ein großes, quadratisches Fenster mit Läden, die vor der Sonne schützen. Ich öffne das Fenster, vor dem eine einsame Zypresse in den blauen Himmel ragt, und stecke den Kopf hinaus. Unten im Garten steht ein weißer Plastiktisch.
«Alle Fenster sind zu.» Mac setzt sich aufs Bett, um die Matratze zu prüfen. «Sie machen wahrscheinlich gerade einen Ausflug.»
«Komisch nur, dass draußen das Auto steht und die Türen nicht abgeschlossen waren.»
«Karin, wir sind mitten im Nirgendwo. In Italien. Was soll hier schon passieren? Vermutlich sperrt man hier die Haustür nie ab.»
«Aber sie wussten doch, dass wir kommen.»
«Gibt es hier einen Strand, den man zu Fuß erreichen kann?»
Ich entsinne mich, dass die Rossis in einer E-Mail tatsächlich erwähnt hatten, dass in der Nähe ein Strand sei. «Bestimmt haben sie die Zeit vergessen. Sollen wir losgehen und sie suchen?»
«Später.» Er streckt die Hand nach mir aus.
«Und wenn sie überraschend heimkommen? Was, wenn sie hier reinspazieren und wir gerade …»
«Und was, wenn nicht?»
Hinterher liegen wir nackt nebeneinander und halten Händchen. Durch das Fenster sieht man nur den Himmel. Kein Lüftchen rührt sich.
«Ich liebe dich, Karin.»
«Ich dich auch.»
«Jetzt ziehen wir unsere Badesachen an und gehen sie suchen.»
Ich springe aus dem Bett und verschwinde im Badezimmer, während Mac unsere Koffer die Treppe hochschleppt und ins Schlafzimmer bringt. Wir ziehen uns um, gehen ins Erdgeschoss und suchen Strandlaken. Als ich in der Küche eine Flasche Wasser aus dem Karton neben dem Kühlschrank nehme, registriere ich Dinge, die mir vorhin nicht aufgefallen sind. Das Geschirr in der Spüle ist grün, auf dem kleinen Tisch steht eine Schüssel mit Bananen und Orangen, auf einem Regalbrett liegt eine offene Tüte mit Keksen, daneben finden sich zwei verschiedene Müslis und sechs H-Milch-Kartons. Neben der Waschmaschine in der Ecke steht ein Korb, der vor schmutziger Wäsche überquillt: Fremonts Jeans, der Leinenrock, den Mary so gern trägt, ein rotes T-Shirt, das Dathi letzten Sommer gekauft hat, die karierten Shorts, die Ben bei unserer Verabschiedung in Heathrow anhatte. Ich hebe den Waschmaschinendeckel, stecke die Hand in die Trommel. «Die Sachen sind noch nass.»
«Was?» Mac hat zwei zusammengefaltete Badetücher auf dem Arm.
«Mary hat noch die Waschmaschine angestellt, bevor sie das Haus verlassen haben. Wo ist der Trockner?»
«Ich sehe keinen.»
Im Garten finden wir eine Wäscheleine. Gemeinsam die sauberen Kleidungsstücke unserer Lieben aufzuhängen, tut beinah so gut wie der Sex. Ich spüre die hartnäckige Sonne auf meiner Haut, und mit jeder Wäscheklammer, die ich anbringe, werde ich ein bisschen gelassener. Nach getaner Arbeit kehren wir in die Küche zurück, machen uns mit der Waschmaschine vertraut und laden sie noch einmal. Inzwischen ist es fünfzehn Uhr. Seit unserer Ankunft ist eine Stunde vergangen. Wir studieren den Zettel mit den Infos zu dem Haus und der Umgebung, den wir in der Küche gefunden haben. Die Entfernung bis zum nächsten Strand, Is
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