Der Sommer deines Todes
die Katzen, die vor dem Haus spielen, und die Grillen.
Dass er wieder auf der richtigen Straßenseite fahren darf, versetzt Mac in Hochstimmung. Nun, da sie wissen, was ihre Lieben treiben, kann er sich – trotz der launischen Kupplung – über Kleinigkeiten freuen: die Selbstverständlichkeit, auf der rechten Seite zu fahren, oder die Tatsache, dass Straßenschilder bereits vertraut wirken, obwohl sie diese Strecke erst zum dritten Mal entlangfahren und sie bei den anderen beiden Gelegenheiten – vom Flughafen zum Haus und vom Haus zum Strand – für derlei Dinge keinen Sinn hatten. Laut den Hinweisen von den Rossis ist das Restaurant, das Dathi Karin gegenüber am Telefon erwähnt hat, nur ein Stück die Via Leonardo da Vinci hoch.
«Da vorn.» Karin zeigt auf ein großes, weiß getünchtes Lokal auf der anderen Straßenseite.
Er fährt bis zu einer Stelle, wo er problemlos wenden kann, und stößt rückwärts auf den Parkplatz neben einem hübsch hergerichteten Garten. Zwischen den Palmen, in deren Mitte zwölf nicht belegte Tische stehen, hängen weiße Lampionketten.
«Ob sie noch geschlossen haben?», fragt Mac.
«Dathi zufolge essen die Leute hier sehr spät.»
Sie werden zu einem der Tische im Garten geführt. Nach einer kleinen Weile tauchen ein weiteres Paar und eine große Familie auf. Langsam füllt sich das Restaurant. Die Stimmung in dieser lauen Nacht ist angenehm. Während sie auf ihr Essen warten, fällt Mac auf, wie heiter und gelassen Karin auf einmal wirkt. Er streckt die Hand aus und legt sie auf die seiner Frau.
«Wir haben es geschafft. Wir sind hier.»
Sie lächelt. «Ich fange an, mich wohl zu fühlen. Wenn nur …»
«Nein, lass uns nicht wieder davon sprechen. Sobald sie hier sind, werden wir uns wünschen, wieder allein zu sein.»
Karin hebt ihr Rotweinglas. «Zeit für einen Toast. Auf unsere Beherztheit, die uns hierhergebracht hat.»
Mac stößt mit ihr an. «Hierher nach Italien? Oder hierher?» Damit meint er ihre Ehe, ihre Familie, ihr manchmal durchaus kompliziertes und hektisches, aber gutes Leben.
«Muss ich das weiter ausführen?» Als sie lächelt, blitzen ihre weißen Zähne hervor.
Am liebsten würde er sich über den Tisch beugen und sie küssen, was er dann auch tut. «Vielleicht können wir später, falls sie noch nicht daheim sind, also … du weißt schon», flüstert er.
«Nimmersatter Lüstling.» Ihr Grinsen straft ihren Tadel Lügen. «Ich hoffe doch schwer, dass sie dann endlich da sind.»
In dem Moment ist Mac hin- und hergerissen. Selbstverständlich wünscht er sich, dass seine Familie gesund und wohlbehalten nach Hause kommt, aber auf der anderen Seite hätte er nichts dagegen, noch ein paar Stunden mit Karin allein zu verbringen. Er genießt die Stunden, in denen sie zu zweit und unbeschwert sind, was ja eher selten vorkommt. Die Tage in England waren entgegen seiner Erwartung ziemlich aufreibend, doch nun, wo er hier mit ihr sitzt, ist die Stimmung ganz anders, und er fühlt sich auf einmal pudelwohl. Es kommt ihm so vor, als könnten sie allein aufgrund der Entfernung den Stress abschütteln, der daheim ihren Alltag dominiert. Er ist dankbar, dass sie sich zu dieser langen Reise durchgerungen haben. Zu Anfang hatte er Zweifel, aber nun muss er sich eingestehen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Jetzt, wo der Job in London erledigt ist, sie sich auf dem gleichen Stück Erde befinden wie der Rest der Familie (zugegebenermaßen an unterschiedlichen Orten) und im Lieblingsrestaurant von Mary und den Kindern zu Abend essen, spüren sie eine innere Ruhe, die ihnen normalerweise eher fremd ist. Fern der Heimat. Fern der Arbeit. Fern den Kindern. Für ein paar Stunden ist es ihnen noch vergönnt, diesen für sie fremden Ort ungestört zu genießen.
«Sie kommen schon wieder», beruhigt Mac seine Frau. «Bis dahin sollten wir das hier voll auskosten.»
Der Kellner bringt ihnen ihre Pizza mit Salami. Nachdem sie davon gekostet haben, sind sie nicht sicher, ob es sich bei dem Belag tatsächlich um Salami handelt, denn sie ist deutlich härter als das, was sie gewohnt sind. Mac erinnert sich, irgendwo gelesen zu haben, dass auf Sardinien Pferdefleisch gegessen wird, beäugt die Wurstscheiben kritisch und behält seinen Verdacht für sich. Jedes Mal, wenn neue Gäste kommen, dreht sich Karin um in der Hoffnung, dass es sich um Mary und die Kinder handelt, doch als sie ihre Pizzen beinah aufgegessen, ihren Wein fast
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