Der Sommer deines Todes
Mortorius, beträgt nur drei Kilometer.
«Bei dieser Affenhitze ist auch so ein Fußmarsch eine wahre Tortur», finde ich.
«Nicht für eine unerschrockene Person wie Mary. Und sie erinnert mich immer wieder gern daran, wie verwöhnt die Kinder ihrer Meinung nach sind.»
«Was ja auch stimmt. Das trifft selbst auf Dathi zu. Bevor sie zu uns kam, war sie ganz anders.»
«Wie wahr.»
Auf dem Zettel steht auch, dass sich in der Schale auf dem Kühlschrank die Haus- und Wagenschlüssel befinden. Wir fahren die Via Degli Oleandri hinunter und biegen dann auf die Via Leonardo da Vinci ab, eine zweispurige, stark befahrene Straße, von Palmen und Geschäften gesäumt, und erreichen schließlich die Tankstelle, wo man abbiegen muss, wenn man nach Is Motorius möchte.
Als Mac um die Ecke fährt, greift die Kupplung nicht, und der Wagen rollt langsam aus. Hinter uns nähert sich ein Auto in rasantem Tempo, was meinen Puls auf Trab bringt. Mac schafft es gerade noch, den Gang reinzuwürgen und einen Aufprall mit dem an uns vorbeiflitzenden roten Fiat zu vermeiden.
«Das war aber knapp», meint er.
«Vielleicht gibt es an der Tankstelle jemanden, der sich die Kupplung mal ansehen kann.»
«Dazu müsste die Karre auf eine Hebebühne. Und eine Werkstatt habe ich nicht gesehen.»
«Na, dann hoffen wir mal, dass das nur ein kleiner Aussetzer war.»
«Vielleicht hat Mary deswegen das Auto stehen gelassen und ist mit den Kindern zu Fuß zum Strand.»
«Falls sie am Strand sind», gebe ich zu bedenken.
Weit und breit ist kein Parkplatz in Sicht. Notgedrungen stellen wir den Wagen am Straßenrand ab und gehen einen unbefestigten, von weiß blühendem Oleander gesäumten Weg zum Strand hinunter.
«Ich hätte mir eine Sonnenbrille aufsetzen sollen.» Mac legt die Hand über die Augen, damit ihn das grelle Licht nicht so stark blendet. Die breite Krempe meines Sonnenhuts wirkt wahre Wunder: Ich habe keine Probleme, etwas zu erkennen. Der zwischen dem Meer und einer dicken Steinmauer gelegene Strandstreifen ist nur drei, höchstens vier Meter breit. Die Sonnenbadenden liegen dicht gedrängt unter bunten Schirmen im Sand. Kinder und Erwachsene spielen oder schwimmen. Weiter draußen gleiten Boote übers Wasser.
«Wo sind sie?»
«Lass uns ein paar Schritte gehen», schlägt Mac vor.
«Dieser Strand war auf keinem von Marys Fotos zu sehen. Und ich weiß auch, warum: Besonders idyllisch ist es hier nicht. Die Strände auf ihren Aufnahmen waren durch die Bank …»
«Schöner», beendet Mac meinen Satz. Wahrscheinlich wird dieser Küstenstreifen nur von Leuten besucht, die nicht viel Zeit haben, kein Auto besitzen oder nicht weit fahren möchten.
«Mir gefällt es hier nicht», meine ich. «Und ich kann sie auch nirgendwo entdecken.»
Wir marschieren schätzungsweise einen Kilometer durch den glühend heißen Sand, ehe uns ein Felsen am Weiterkommen hindert. Ich nehme einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche, reiche sie Mac und konstatiere: «Hier sind sie nicht.»
Er späht mit leicht besorgter Miene in die Richtung, aus der wir gekommen sind, und nickt. «Lass uns umkehren. Wir können im Haus auf sie warten. Falls sie in ein paar Stunden immer noch nicht aufgetaucht sind, sehen wir weiter.»
Ich will die frisch gewaschene Wäsche aufhängen, aber die erste Ladung ist noch nicht ganz trocken. Die Sonne arbeitet nicht so effizient wie ein Trockner. Innerlich murrend schleppe ich den Plastikkorb mit der nassen Wäsche wieder ins Haus und stelle ihn in die Ecke neben der Tür. Dass ich mir die nächste Viertelstunde nicht mit einer Tätigkeit vertreiben kann, die auf mich beruhigend wirkt, bringt mich aus dem Konzept. Das Aufhängen hat etwas Meditatives, und jede Wäscheklammer bestärkt mich in der Hoffnung, meine Familie bald wiederzusehen.
Kurz vor fünf Uhr nachmittags steht die Sonne endlich so tief, dass man im Garten sitzen und nach dem dehydrierenden Strandmarsch in aller Seelenruhe ein paar Gläser Wasser trinken kann. Gegen sechs gehen wir zu Wein über. Langsam kommen die Kätzchen samt Eltern aus den Büschen gekrochen, wo sie sich vor der Sonne versteckt haben.
Mac bückt sich und hebt ein rotbraunes Fellknäuel hoch, das wir spontan Luciano taufen. «Wie oft am Tag muss man sie füttern?»
«Gute Frage.» Ich gehe nach drinnen, hole den Zettel mit den Infos, kehre in den Garten zurück und suche die Stelle mit den Anweisungen für die Katzen. «Morgens kriegen sie Dosenfutter und ab dann nur
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