Der Sommer deines Todes

viel Übung … Immerhin hat er Liz, seine damalige Frau, mit mir betrogen.»
    «Wir haben ihn mit keiner anderen Frau gesehen. Hätte er eine Geliebte, wäre uns das nicht entgangen.»
    «Sie», sagt sie und deutet mit dem Kinn auf Billy, «haben Godfrey auch beschattet?»
    «Nein, Mac meint seine Kollegen. Ich bin beim NYPD .»
    «Ich arbeite mit Karin, meiner Frau, zusammen und mit meiner Assistentin Mary.»
    «Verstehe. Ich meine mich zu erinnern, dass Sie alle verreisen wollten. Nach Europa.»
    «Die anderen sind noch dort. Ich bin zurückgekehrt –» Er hält kurz inne und sagt dann: «Mary und die Kinder sind verschwunden.»
    Cathy wird blass. «Bitte, nehmen Sie Platz.»
    Anya bringt ein Tablett mit Eistee, Limonenschnitzen und Eiswürfeln, die in der Sonne funkeln. Beim Anblick der Erfrischungen merkt Mac erst, wie durstig er ist. Er trinkt hastig aus und setzt das Glas ab. Neugier und Anspannung machen ihn ganz nervös. Weiß Cathy Millerhausen etwas, das ihm helfen könnte, seine Familie zu finden?
    «Erzählen Sie mir, was passiert ist», bittet sie.
    «Meine Frau und ich haben ein paar Tage allein in England verbracht. Und als wir in Italien eintrafen, waren alle wie vom Erdboden verschwunden.»
    «Sind Sie sicher, dass sie überhaupt dort waren?»
    Er nickt.
    «Wo in Italien?»
    «Sardinien, in der Nähe von Cagliari.»
    Sie ist gerade im Begriff, das Glas zum Mund zu führen, hält mitten in der Bewegung inne und starrt ihn an.
    «Ich weiß», erläutert er, «dass die erste Mrs. Millerhausen dort lebt.»
    «Er weiß Bescheid», flüstert sie.
    Genau wie Mac vermutet hat. «Wie das?»
    «Er hat Sie weggeschickt, damit Sie ihn nicht länger unter die Lupe nehmen. Es muss schlimmer sein, als ich dachte.» Cathy kneift die Augen zusammen. «Godfrey liebt es, andere hinters Licht zu führen. Mir hat er mal gesagt, sein Fahrer würde mich abholen und mich zum Abendessen in ein Restaurant bringen. Stattdessen wurde ich in ein Flugzeug gesetzt und ins Pink Sands auf den Bahamas verfrachtet, wo er auf mich wartete. Ich musste Klamotten kaufen, und wir hatten eine schöne Zeit, aber ich habe ihn dafür gehasst. Wegen der Kinder.»
    «Wer hat sich um sie gekümmert?»
    «Die Mädchen.»
    «Warum hat er Sie nicht einfach gebeten, mit ihm zu verreisen?»
    «Zum einen, weil er wusste, dass ich Ritchie nicht so lange allein lassen würde, zum anderen, weil Godfrey Herausforderungen liebt.»
    «Er manipuliert gern», sagt Mac nüchtern.
    «Das ist noch eine euphemistische Umschreibung.» Sie lächelt spöttisch. «Herzlos ist er. Sie sind nicht zufällig auf Sardinien gelandet.»
    «Wen kennt er bei Kroll Consulting?»
    «Jeden.»
    Mac und Billy starren sie fassungslos an und können es gar nicht erwarten, dass sie fortfährt.
    «Er nutzt ihre Dienste unentwegt; er zahlt ihnen viel Geld, damit sie ihm auf Abruf zur Verfügung stehen. Und sie tun, was immer er verlangt. Dieses Unternehmen gehört praktisch ihm.»
    «Kroll hat mir einen Auftrag erteilt und mich zu Barclays nach London geschickt, angeblich wegen einer internen Ermittlung.»
    «Warum haben Sie mir denn nicht gesagt, dass sie deswegen meinen Fall ruhen lassen?», fragt sie mit einem bösen Funkeln in den Augen. «Dann hätte ich Sie warnen können.»
    «Ich habe geglaubt, ich wäre zu alt, um mich aufs Glatteis führen zu lassen.»
    «Dafür ist keiner zu alt. Jedenfalls nicht, wenn Sie es mit Leuten wie meinem Mann zu tun haben, glauben Sie mir.»
    «Sie gehen immer noch davon aus, dass er eine Affäre hat.»
    «Davon bin ich überzeugt.»
    «Dann weiß er das aber gut zu verbergen.»
    «Das würde zu ihm passen. Er wird sich von mir scheiden lassen und den Ehevertrag anfechten. Und er wird Ritchie um das betrügen, was ihm zusteht.»
    «Mir ist schleierhaft, warum er das alles tut … Ich meine, uns nach Europa zu schicken, nur damit ich ihn nicht mehr beschatte und keiner von seiner Affäre erfährt?»
    «Zuzutrauen wäre es ihm jedenfalls.» Sie fährt mit der Fingerspitze über den Glasrand.
    «Verschwörung und Entführung sind schwere Straftaten», meint Billy. «Dass er so ein Risiko eingeht, nur um im Fall einer Scheidung weniger blechen zu müssen, erscheint etwas abwegig. Ist Ihr Mann wirklich so geizig?»
    «Ja und nein.»
    Mac, der aus Cathys Antwort nicht schlau wird, wirft Billy einen fragenden Blick zu. Manchmal schließen sich Gegensätze nicht aus, und Mac macht sich in einem Punkt nichts mehr vor: Dieser zu Anfang so einfache Fall ist