Der Sommer deines Todes
mit dem Test irgendetwas schiefgelaufen ist. Ich wollte schon eine weitere Analyse machen lassen, wurde jedoch zurückgepfiffen.»
«Von wem?»
«Dem leitenden Special Agent. Der Sektionsleiter hat ihm aufgetragen, die Ermittlungen einzustellen.»
«Dann kam der Befehl also von ziemlich weit oben.»
«Ja. Und zwar laut und deutlich.»
«Und Sie haben sich daran gehalten?»
«Was hätte ich denn tun sollen? Der Typ hat ja fünfzig Jahre gekriegt und wird sowieso im Gefängnis sterben.»
«Und was ist mit dem Mädchen, das umgebracht wurde? Falls Moore nichts mit ihrem Tod zu tun hat, wäre es vielleicht interessant zu erfahren, wer tatsächlich dafür verantwortlich ist.»
«Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen, wirklich. Jetzt, wo Staples in dem Fall ermittelt und …»
«Er ermittelt gar nichts. Es gibt keinen Fall. Wir haben uns nur Gedanken gemacht.»
«Für wen arbeiten Sie?»
«Tut mir leid. Ich bekomme gerade einen anderen Anruf, den ich annehmen muss. Danke für Ihre Hilfe.»
Mac legt auf und wünscht sich von ganzen Herzen, dass tatsächlich ein anderer Anruf kommt, denn er sehnt sich danach, Karins Stimme zu hören. Hoffentlich informiert Special Agent Mercado nicht seine Vorgesetzten, fleht er stumm. Billy und er werden etwas Zeit brauchen, um genug Beweise zu sammeln, mit denen sich nachweisen lässt, dass Millerhausen und Kroll etwas mit Alicias Ermordung zu tun hatten. Erst dann können sie die zuständigen Behörden informieren. Und da Millerhausen über hervorragende Verbindungen verfügt, muss die Beweiskette lückenlos sein.
Mac trommelt mit dem stummen Handy gegen sein Knie. Draußen, hinter der heruntergezogenen Jalousie, geht die Sonne auf.
Ananaspalmen flankieren den Hoteleingang. In der vornehmen, stark klimatisierten Lobby summt mein Handy. Da mich eine kurzhaarige junge Frau am Empfang mit einem Lächeln begrüßt, ignoriere ich es.
«Ciao!»
«Sprechen Sie Englisch?»
«Sie sind Amerikanerin? Ich auch.» Ihre perfekten weißen Zähne, die an Zuchtperlen erinnern, deuten darauf hin, dass sie früher eine Spange getragen hat.
«Sie sind nicht zufälligerweise Blaine, oder?» Karin meint, das Mädchen von ihrer Facebook-Seite zu kennen, wo als Wohnort allerdings Paris und nicht Sardinien angegeben ist.
Ihr Lächeln gefriert schlagartig. «Warten Sie bitte kurz.» Sie verschwindet in einem Büro, schließt die Tür hinter sich und unterhält sich dort mit jemandem.
Zwei schlanke Frauen in teuren Strandkleidern und mit großen Sonnenhüten schlendern durchs Foyer – Französinnen, dem Gespräch nach zu urteilen. Sie gehen durch einen Türbogen auf eine Terrasse, wo das Mittagessen serviert wird. Zwei Männer in Badehosen folgen ihnen.
Dann geht die Tür auf, und es erscheint Liz Braud – größer, brauner und eleganter als ihre Gäste. Ihre Zähne sind nicht ganz so perfekt, aber genau so weiß wie die ihrer Tochter. Sie trägt eine schwarze, edle Leinentunika, die einen starken Kontrast zu ihrer weißen, engen Hose bildet. Ein beachtlicher tropfenförmiger Saphir an einer Silberkette schmückt ihr Dekolleté. Am liebsten würde ich mich auf sie stürzen, sie ausquetschen, was sie mit unserem Urlaub zu schaffen hat, wo Mary und die Kinder sind, doch wenn ich das tue, wenn ich auch nur den geringsten Verdacht andeute, wird sie unser Treffen beenden, ehe es begonnen hat.
«Ich bin Liz, die Eigentümerin. Es tut mir leid, aber die nächsten fünf Tage sind wir komplett ausgebucht.»
«Ich brauche kein Zimmer», antworte ich und ringe mir ein Lächeln ab. Die tiefen Falten in ihrem Gesicht deuten auf ein emotional recht abwechslungsreiches Leben hin. Lachen. Und Vergessen. Sie hat eine ganz anders geartete Welt hinter sich gelassen, um hierherzukommen. Mir gegenüber steht eine Frau mit Vergangenheit. Ich reiche ihr die Hand und stelle mich vor. «Falls Sie Zeit hätten, würde ich Ihnen gern ein paar persönliche Fragen stellen.» Mein Blick wandert zu der jungen Frau.
«Das ist Blaine, meine Tochter.»
«Dachte ich mir.»
«Mom …», murrt Blaine.
«Haben Sie schon zu Mittag gegessen?», fragt Liz, die ihre Tochter ignoriert.
«Nein.»
Ich folge ihr auf die Terrasse, wo wir an einem kleinen Tisch Platz im Schatten nehmen, der für sie reserviert zu sein scheint. Davor erstreckt sich ein kleiner Park mit einem tränenförmigen, blau gefliesten Pool, dessen Wasser die Sonne reflektiert. Mit einem Blick auf Liz’ Saphir überlege ich, was wohl zuerst da war:
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