Der Sommer deines Todes
Alicia-Griffin-Fall nicht mehr als davor. Soweit Mac sich entsinnen kann, war in dem Zeitungsartikel die Theorie aufgestellt worden, das Mädchen hätte sich als Ehefrau des Gefangenen ausgegeben und sich so die Gefängnisbesuche erschlichen. Was für ein Unsinn, denkt er, schaut euch doch mal das letzte Foto von Dallas an. Wie kann jemand allen Ernstes annehmen, dass ein hübsches, gesundes und anscheinend völlig normales Mädchen auf ein hässliches, dreißig Jahre älteres Wrack steht? Und wer kann denn glauben, dass die beiden sich tatsächlich irgendwann kennengelernt oder gar geheiratet haben?
«Zwillinge haben die gleichen DNS … Ich glaube, Godfrey spielt Gott», meint Mac. «Zuerst schenkt er Leben, und später löscht er es aus.»
«Kommt für meinen Geschmack durchaus als Mörder des schwangeren Teenagers in Frage.»
Mac nickt. «Das sehe ich auch so.»
«Und die Ehefrau ahnt noch nicht mal, was für ein Mistkerl ihr Göttergatte in Wahrheit ist.»
«Wir müssen versuchen, den Typen zur Strecke zu bringen, Billy.»
«Offiziell kann ich nichts unternehmen. Der Mord ist nicht in Brooklyn verübt worden. Aber inoffiziell werde ich dir selbstverständlich helfen und alles tun, was in meiner Macht steht.»
«Danke, Bruder.»
Billy lacht. «Bruder von einem anderen Planeten, oder?»
«Von meinem Planeten, möchte ich klarstellen.»
Mit einem Mal fühlt sich Mac wie elektrisiert, weil er endlich auf dem richtigen Weg ist. Jetzt ist klar, was für ein Mensch Godfrey Millerhausen ist und dass der Mann nicht nur eine ganz gewöhnliche Affäre verheimlichen möchte, sondern etwas viel Gravierenderes zu verbergen hat.
Und aus diesem Grund ist er auch viel gefährlicher.
«Ich muss Karin informieren und ihr sagen, dass sie sich in Acht nehmen muss.» Macs Finger zittern so stark, dass er die Tasten nicht trifft.
«Gib mal her.» Billy greift nach dem Handy, wählt und gibt es Mac zurück.
Er hört, wie es am anderen Ende der Leitung klingelt. Da es auf Sardinien erst fünf Uhr morgens ist, wird sie noch nicht aufgestanden sein, es sei denn, sie hält sich nicht mehr an feste Schlafzeiten. Bei dem Gedanken an Schlaf merkt er plötzlich, wie erschöpft er ist. Abgesehen von dem kurzen Nickerchen während der Taxifahrt vom Flughafen in die Stadt, hat er während der letzten beiden Tage kein Auge zugetan. Karins Mailbox springt an.
«Ruf mich an. Es ist wichtig.» Fast hätte er
Du bist in Gefahr
gerufen, kann aber in letzte Sekunde noch an sich halten. Er muss ihr die Neuigkeiten schonend beibringen und zuerst erfahren, was sich bei ihr getan hat, bevor sie sich eine Strategie überlegen und entscheiden, inwieweit man der sardischen Polizei trauen kann oder ob man besser das State Department hinzuzieht.
Unverzüglich schickt er Karin eine Mail und zur Sicherheit noch eine SMS . Dann starrt er ungeduldig auf sein Handy und wartet auf eine Antwort von seiner Frau, die nicht kommt.
«Keiner hat damit gerechnet, dass ich zurückkomme», überlegt Mac laut. «Die Gegenseite schätzt mich so ein, dass mir meine Familie wichtiger als alles andere ist und ich auf Sardinien bleibe, um dort nach ihr zu suchen.»
«Die Familie steht für dich doch auch an erster Stelle. Mir kannst du da nichts vormachen.»
«Alle haben damit gerechnet, dass ich den Millerhausen-Fall ad acta lege. Und vielleicht hätte ich das tun sollen. Was für eine Scheiße, Billy.»
«Du bist ein guter Polizist,
weil
du die Erwartungen anderer gerade nicht erfüllst.»
«Ich bin kein Polizist mehr. Also, wieso bin ich hier?»
Billy drückt Macs Hand, die immer noch zittert und das stumme Handy umklammert. «Du bist hier, weil du Millerhausen durchschaust. Wärst du nicht nach Hause gekommen, käme er ungeschoren davon. Du hast getan, was du tun musstest. Du hast das Richtige getan.»
«Wäre ich auf Sardinien geblieben, wäre meine Familie irgendwann einfach wieder aufgetaucht.»
«Noch ein Zaubertrick von Millerhausen? Das bezweifle ich stark.»
«Karin …»
«… kann besser auf sich aufpassen als jeder andere, den ich kenne.»
«Ich muss wieder zurück.»
«Nein, wir müssen das hier zu Ende bringen. Ich rufe jetzt gleich einen Bekannten beim FBI an. Mal sehen, was er uns über diese Genies erzählen kann, die die DNS eines Mörders einem Gefängnisinsassen zuordnen und sich darüber nicht mal wundern. Du haust dich erst mal aufs Ohr, damit du nicht den Verstand verlierst. Und danach finden wir heraus, was dein Freund
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