Der Sommer deines Todes
sind ein paar Tage vor mir und meinem Mann angekommen. Wir hatten noch geschäftlich in England zu tun. Und als wir dann in Sardinien eintrafen, waren unsere Freundin, ihr Sohn und unsere Kinder verschwunden. Zuerst waren wir vollkommen ratlos, aber dann haben wir erfahren, dass Sie auf dieser Insel leben, was in unseren Augen einfach kein Zufall sein kann. Aus diesem Grund bin ich hier.»
Sie legt vorsichtig die Hand auf meinen Arm, schaut mir in die Augen. «Ich kann Ihren Gedankengang sehr gut nachvollziehen, doch ich kann Ihnen Brief und Siegel geben, dass es sich tatsächlich um einen Zufall handelt. Es sei denn, Sie glauben, dass Ihre Lieben in meinem Hotel abgestiegen sind.»
«Nein, das wäre doch unsinnig, wo uns das Haus in Capitana zur Verfügung steht. Warum sollten sie in ein Hotel gehen? Und wenn, hätten sie uns das mitgeteilt.» Ich beuge mich vor und lege meine Hand auf ihre, die sich trocken, papieren anfühlt. «Fällt Ihnen ein Grund ein, weshalb Ihr Exmann uns hierhergeschickt haben könnte?»
«Sie sagten, Sie hätten mit jemandem die Wohnung getauscht.»
«Wäre es möglich, dass Godfrey die ganze Sache eingefädelt hat?»
«Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr mit ihm gesprochen und von daher nicht die geringste Ahnung. Sie waren doch bei der Polizei, oder?»
«Unverzüglich.» Die weiterwandernde Sonne sorgt dafür, dass es auf der Terrasse ziemlich heiß wird.
Sie zieht ihre Hand zurück, legt sie neben dem unbenutzten Messer auf den Tisch. «Die kümmern sich darum. Allerdings ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass eine amerikanische Familie verschwunden ist.»
«Das ist ja das Problem. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Polizei sie wirklich sucht. Mein Mann ist zurück nach New York geflogen in der Hoffnung, dort Antworten zu finden. Wir sind der Meinung, dass das Verschwinden etwas mit Ihrem Exmann zu tun hat.»
«Wie denn das?» Eine Fliege kreist über ihrem Salat. Dass sie keine Anstalten macht, sie zu verscheuchen, deute ich dahingehend, dass sie überhaupt nicht die Absicht hat, etwas zu essen.
«Liz, fällt Ihnen irgendein Grund ein, warum Godfrey meinen Mann davon abhalten sollte, gegen ihn zu ermitteln?»
«Nein, eigentlich nicht. Godfrey ist langweilig. Und, glauben Sie mir, er versteht sich nicht sonderlich gut darauf, seine Affären geheim zu halten. Die Sache ist ganz einfach: Wenn Ihr Mann keine Geliebte gefunden hat, existiert auch keine.»
«Sind Sie sich sicher?»
«Soweit ich das einschätzen kann, meine Liebe, ja. Allerdings bin ich seit zwölf Jahren nicht mehr mit diesem Mann zusammen.»
«Aber warum …»
«Godfrey hat früher häufig behauptet, er wäre ein ganz normaler Arbeiter geworden, hätte er nicht so einen Haufen Geld geerbt. Er ist sich sehr wohl darüber im Klaren, was er zu bieten hat und was nicht. Ich habe mich immer gefragt, ob das Vermögen ihm ein Leben aufgezwungen hat, das ihm überhaupt nicht entspricht. Vielleicht hat das Erbe ja verhindert, dass er ein besserer Mensch wurde.»
«Wollen Sie damit andeuten, er wäre gar nicht in der Lage, etwas zu tun, das er vertuschen muss?»
«Wie ich bereits sagte, kenne ich ihn eigentlich nicht mehr.» Sie winkt Vincente zu und bestellt zwei Espressi. «Wenn Sie möchten, kann ich mal für Sie herumtelefonieren. Ich kenne ein paar Leute auf dem hiesigen Polizeirevier, die unten im Süden nachfragen könnten, wie der Stand der Dinge ist.»
«Mein Sohn ist erst fünf.» Tränen treten mir in die Augen, und ich wende den Blick ab.
«Er wird schon wieder auftauchen, meine Liebe.» Liz tätschelt meine Hand. «Warten Sie’s nur ab.»
Bei laufendem Motor und hochgedrehter Klimaanlage checke ich in dem glühenden Wagen die eingegangenen Nachrichten. Wie es aussieht, hat Mac in den letzten Stunden mehrmals versucht, mich zu erreichen. Zuerst lese ich seine SMS und Mails, danach höre ich die Mailbox ab. Nach allem, was Mac da zusammengetragen hat, hat der Godfrey Millerhausen von heute nichts mit dem Mann gemein, an den man sich hier erinnert. Je nachdem, mit wem er zusammen ist, zeigt dieser Mann anscheinend ein anderes Gesicht. Als ich Mac zurückrufe, klopft mein Herz so stark, dass ich es hören kann.
Macs Mailbox springt an. Aufgrund der achtstündigen Zeitverschiebung ist es in New York erst sechs Uhr morgens. Mac steht normalerweise früh auf, doch da im Moment nichts normal ist, könnte es gut sein, dass er noch schläft. Oder er hat kein Netz. Oder … Auch wenn viel, sehr viel auf
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