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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Restaurants, wo rubinroter Wein ausgeschenkt wird. Als ich mich aufrichte, tut mir jeder Knochen im Leib weh, doch glücklicherweise ist weder etwas gebrochen, noch blute ich. Ich berühre den Wundverband auf meiner Stirn.
    Eine Krankenschwester in weißer Tracht baut sich lächelnd vor mir auf und verkündet freundlich: «Rimanga distesa.»
    «Ich verstehe Sie nicht.» Meine Stimme klingt seltsam. «Wie lange bin ich schon hier?»
    «Aspetti, vado a prendere il medico.» Sie dreht sich um und unterhält sich auf Italienisch mit einer Kollegin, die mir einen Blick zuwirft und nickt, und geht weiter.
    Meine Handtasche liegt auf einer Ablage über den Rollen der Bahre. Wie sich herausstellt, sind alle meine Sachen noch da: Geldbörse, Schlüssel, Blackberry. Ungeduldig nehme ich mein Handy und sehe eine endlose Liste von verpassten Anrufen. Demnach hat Mac zigmal versucht, mich zu erreichen. Das Display vor meinen Augen verschwimmt. Ich blinzle so lange, bis ich die kleinen Buchstaben lesen kann. Begleitet von einem Piepton gehen SMS ein. Eine Krankenschwester, die gerade vorbeiläuft, erstarrt, dreht sich zu mir um und schimpft: «Non è permesso utilizzare il telefonino.»
    Auch wenn ich sie nicht ganz verstehe, ist ihr Tonfall eindeutig. Angesichts der vielen medizinischen Geräte in dem Raum hat sie mir vermutlich gerade verboten, das Handy zu benutzen. Ich nicke verständnisvoll und schalte es aus.
    Das herumwuselnde Krankenhauspersonal versorgt notleidende Patienten und lässt mich links liegen. Allem Anschein nach bin ich schon eine ganze Weile in der Notaufnahme und kein schwerer Fall. Ich möchte hier keine Panik auslösen, aber ich muss so schnell wie möglich mit Mac telefonieren.
    Als eine Schwester vorbeikommt, fragte ich: «Bagno?» Badezimmer.
    «Attraverso la porta, a sinestra e in fondo al corridoro a destra. Può camminare bene?»
    «Grazie», bedanke ich mich bei ihr, ohne ein Wort verstanden zu haben. Auf dem Weg zur Tür spüre ich ihren Blick im Rücken, gehe nach rechts und laufe unter einem Schild durch, auf dem
Uscita
steht. Ausgang. Seit meiner Ankunft auf dieser Insel habe ich doch einiges aufgeschnappt.
    Auf einem Schild im Foyer steht
Ospedale Giovanni Paolo  II
. Schwindel überkommt mich. Um Abhilfe zu schaffen, kaufe ich am Kiosk einen Flasche Wasser und einen Schokoriegel. Während die junge Verkäuferin das Wechselgeld abzählt, fällt mein Blick auf einen Stapel Lokalzeitungen. Die Schlagzeile lautet TURISTA ARRESTATO .
    Ich greife nach der zusammengefalteten Zeitung und schlage sie auf. Unten auf der Titelseite ist ein Foto abgedruckt: Ein relativ hellhäutiger Schwarzer wird in Handschellen auf ein Revier gebracht. Der Delinquent hat nicht viel Ähnlichkeit mit den Afrikanern, die man im Süden der Insel, nur einen Katzensprung von Tunesien entfernt, häufiger antrifft, sondern eher etwas von einem Amerikaner oder Europäer. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um einen großen, schlanken, noch im Wachstum befindlichen Jungen und nicht um einen Erwachsenen. Die Frisur, die blauen Turnschuhe, das Halbprofil kommen mir bekannt vor.
    Fremont. Ich freue mich zu sehen, dass er am Leben ist, aber natürlich nicht über die Schlagzeile. Fieberhaft überfliege ich den mehr oder minder unverständlichen Artikel, bis mein Blick an einem Wort hängen bleibt:
prostituzione
.
    «Volete questo?»
    Die junge Frau verkauft mir die Zeitung, entnimmt dem Wechselgeld die entsprechende Summe und drückt mir die restlichen Münzen in die Hand.
    Auf dem Weg zum Ausgang lese ich den Artikel so gut es geht noch einmal. Fremont wurde wohl wegen Prostitution verhaftet, was vollkommen lächerlich ist, und anschließend in Olbia-Tempio auf ein Revier der Polizia di Stato gebracht, was darauf hindeutet, dass er hier in der Nähe aufgegriffen wurde. Liz Braud hat mir angeboten, einen Freund bei der Polizei anzurufen und ihn um Hilfe zu bitten. Macht die hiesige Polizei gemeinsame Sache mit ihr? Ist Fremont im Gefängnis sicher oder in Gefahr? Meine Gedanken überschlagen sich. Obwohl ich nicht wirklich verstehe, was hier eigentlich läuft, ist mir der Hauch einer Ahnung immer noch lieber, als vollkommen im Dunkeln zu tappen.
    Was ist mit Ben? Dathi? Mary? Mein Blick wandert über die fremdartigen Worte. Keine Silbe von
bambino, ragazza, donna
 – Kind, Mädchen Frau, aber was weiß ich schon? Mit klopfendem Herzen versuche ich, die Situation einzuschätzen. Vielleicht ist es doch kein Fehler gewesen,

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