Der Sommer deines Todes
dem Mann einen Besuch abzustatten und ihn davon in Kenntnis zu setzen, dass sie über seinen Zwillingsbruder Bescheid wissen – in der Hoffnung, ihm auf diese Weise Informationen über Mary und die Kinder zu entlocken. Sie waren schon in seinem Büro, haben ihn jedoch entgegen ihrer Erwartung dort nicht angetroffen.
Nun stehen sie seit anderthalb Stunden vor seinem Apartment und beobachten, wie ein älteres Paar, das offenbar verreist war, aus einer Limousine steigt und der Chauffeur dem Portier zwei Koffer in die Hand drückt. Das Paar betritt das Gebäude, der Portier setzt das Gepäck ab und händigt den Herrschaften die Post aus. Dabei fällt Mac der Brief ein, den die Barclays Bank Mario Rossi kurz vor ihrer Abreise an Macs und Karins Adresse geschickt hat. Im Geist spinnt er diesen Faden weiter: In dem Umschlag steckte ein Scheck, mit dem Rossi für seinen Beitrag an der Entführung von Ben, Dathi, Fremont und Mary entlohnt wurde.
Nach dieser Erkenntnis gibt es kein Halten mehr für ihn.
Der Portier, der an diesem Sonntagmorgen in der 740 Park Avenue Dienst hat, ist ein Profi in Uniform. Nach außen hin lässt er sich nicht anmerken, ob er Notiz von den beiden kaffeetrinkenden Männern auf der gegenüberliegenden Straßenseite nimmt. Erst als sich Mac – gefolgt von Billy – in Bewegung setzt, schaut der Portier in ihre Richtung, nimmt seine Mütze ab, fährt mit einem Taschentuch über seinen Haarkranz und setzt die Kopfbedeckung wieder auf, mit der er seine angehende Glatze verdeckt. Schnell und geschickt faltet er das Taschentuch, das er wieder in der Innentasche seines blauen Blazers verstaut, und setzt eine dienstbeflissene Miene auf, ehe ihn Mac und Billy erreichen.
«Guten Morgen», begrüßt er sie.
Mac nickt. «Morgen.» Jetzt, wo er vor ihm steht, kann er den Namen auf dem Messingnamensschild lesen:
Arturo Rodriguez
. «Mr. Rodriguez, ich bin Mac MacLeary, Privatdetektiv.» Nach kurzem Zögern schüttelt Rodriguez Mac die Hand. «Das hier ist mein Partner, Detective Billy Staples, NYPD , vom 84 . Revier in Brooklyn.»
«Brooklyn?» Er wirkt jetzt leicht verunsichert, legt die Stirn in Falten. «Ich wohne in Brooklyn.» Er scheint ins Grübeln zu kommen, als müsse er überlegen, was er falsch gemacht hat, das zwei Ermittler auf den Plan ruft. «Mein Schwiegersohn, hat er etwa …»
«Mr. Rodriguez», unterbricht ihn Mac, «wir interessieren uns nicht für Sie. Mrs. Millerhausen hat uns beauftragt, nach ihrem Gatten zu suchen.»
«Ich bin seit sechs Uhr früh hier und habe Mr. Millerhausen nicht gesehen. Wenn Sie möchten, kann ich oben anrufen, aber vermutlich ist er gar nicht zu Hause.»
«Danke, das wäre wirklich großartig.»
Sie treten ein paar Schritte zurück, während Rodriguez auf leisen Sohlen in der schattigen, kühlen Lobby verschwindet. Eine Minute später kehrt er wieder. «Oben meldet sich niemand. Ähm … Ich habe es zehn-, zwölfmal läuten lassen. Tut mir leid.»
«Könnte es sein, dass er noch schläft?», gibt Billy zu bedenken.
«Durchaus möglich.»
«Nochmals vielen Dank», sagt Mac, woraufhin er und Billy wieder auf der anderen Straßenseite Posten beziehen. Inzwischen hat ihr Kaffee etwa dieselbe Temperatur wie dieser laue Julimorgen. «Wir warten noch ein bisschen», meint er zu Billy.
«Kein Problem.»
Eine Frau in Cargo-Shorts, mit krausen roten Haaren und purpurnem Stirnband, führt ein halbes Dutzend Hunde unterschiedlicher Größe an der Leine. Ein flauschiger weißer Bison Frisé – diese Rasse kennt Mac nur, weil eine ehemalige Freundin seines Bruders solch ein Exemplar besessen hat – rennt hocherfreut um Billys Beine.
«Puh!» Lachend versucht er, sich aus der Leine zu winden, stolpert und gießt dabei versehentlich lauwarmen Kaffee auf den schneeweißen Hund, der sich schüttelt. Dabei landen Kaffeespritzer auf den nackten, von Sommersprossen überzogenen Beinen der Hundeausführerin.
«Entschuldigung!» Sie kniet sich neben den aufgedrehten Hund und gibt Billy Anweisungen. «Einen Schritt nach links und dann das Bein heben. Ich halte sie fest.»
«Geben Sie die mir. Ich passe auf die anderen auf.» Mac streckt die Hand aus, nimmt die Nylon- und Lederleinen und hält die Hunde, die zappelig werden.
Bis Billy befreit ist, Mac die Tiere wieder in die Obhut der Frau gegeben hat und sie weitergezogen ist, hat Godfrey Millerhausen das Apartment verlassen und macht Anstalten, ein Taxi heranzuwinken. Arturo Rodriguez – von Beruf
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