Der Sommer der Frauen
habe Edward eigentlich immer in allem nachgegeben, weil er mir damals nach dem Tod von Mom und Dad so geholfen hat. Ich war der Überzeugung, Edward hätte immer recht. Doch das stimmte nicht. Er war furchtbar wütend, als ich meine Meinung änderte und doch ein Kind wollte.»
«Dieses Arschloch. Wie ich das hasse!», sagte June. «Er war derjenige, der stehengeblieben ist, Isabel! Er steckte fest und konnte sich nicht weiterbewegen, und damit hat er dich gezwungen, ebenfalls an Ort und Stelle zu verharren, so lange, bis es für dich unerträglich wurde.»
Kat schüttelte den Kopf. «Gott, kein Wunder, dass dich die Sache mit Emmy so erschüttert hat. Du dachtest, das wäre der Beweis für das, was Edward gesagt hat.»
Isabel ließ sich gegen die Stuhllehne sinken. Sie konnte die kühle Brise in ihrem Gesicht spüren, die damals wehte, als sie und Edward an jenem Abend im Garten lagen und diesen Pakt schmiedeten. Ihr war klar, weshalb sie sich darauf eingelassen hatte. Warum sie sich so sehr in Edward verliebt hatte. Warum sie bei ihm geblieben war, obwohl seine kleinen Gemeinheiten und Sticheleien und Unaufrichtigkeiten ihr schon lange klargemacht hatten, dass sie nicht mehr das kleine, verängstigte Mädchen von einundzwanzig Jahren war, das er geheiratet hatte. Die junge Frau, die sich so mutterseelenallein auf der Welt gefühlt hatte, obwohl sie doch eine Schwester hatte, eine Cousine und eine Tante. Sie hatte Edward sehr lange gestattet, ihr zu diktieren, wer sie war. Aber damit war es jetzt endgültig vorbei. Sie würde sich niemals wieder von irgendjemandem sagen lassen, wer sie war oder wozu sie fähig war und wozu nicht.
«Ich wünschte, ich hätte damals mit dir darüber geredet, Tante Lolly», sagte Isabel und sah zu ihrer Tante, doch Lolly war eingeschlafen, die Fernbedienung noch in der Hand.
«Gute Nacht, Mom», flüsterte Kat, nahm vorsichtig die Fernbedienung an sich, zog Lolly die Decke über die Brust und schaltete das Licht aus, während ihre Cousinen sich um das schmutzige Geschirr kümmerten.
Sie gingen gemeinsam in die Küche, und June setzte Teewasser auf.
«Wir sollten uns nicht ein Leben lang von dem definieren lassen, was wir als Teenager empfunden haben», sagte Kat und verstaute die restlichen Cupcakes in der ISS MICH !-Dose. «Manchmal … manchmal frage ich mich, ob ich vor allem deswegen mit Oliver zusammen bin. Weil ich es einfach schon mein Leben lang so gewohnt bin.»
June füllte losen Earl Grey in das Teesieb. «Bist du dir doch unsicher, ob du ihn heiraten sollst?»
«Vielleicht.» Kat sank auf einen Küchenstuhl. «Ja. Nein. Ich weiß es nicht. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Ignoriert mich einfach.»
«Das geht aber nicht», sagte Isabel. Sie legte ihrer Cousine kurz den Arm um die Schulter und goss das Teewasser auf. «Ich hoffe einfach, du tust das, was du wirklich tun willst. Und nicht das, was irgendwer von dir erwartet.
Capisce?
»
Kat lächelte.
«Capisce.»
«Wenn ich eines gelernt habe», sagte June, «dann das: Wenn man nicht weiß, was man machen soll, hat man zwei Möglichkeiten: einen Schritt zurücktreten oder erst mal stehen bleiben – aber auf keinen Fall weitergehen. Irgendwoher kommt immer Klarheit. Eines Morgens wacht man auf und merkt, dass man etwas kapiert hat, was einem am Vorabend noch nicht klargewesen ist.»
Kat füllte drei Tassen mit dem aromatischen Tee. «Auf den Morgen warte ich immer noch. Wenigstens weiß Isabel inzwischen, was sie empfindet.» Kat grinste. «Du hast doch morgen Abend ein Date mit Griffin, oder etwa nicht?»
«Das ist kein Date. Sondern nur ein Spaziergang. Vielleicht will er nur einen Waffenstillstand vereinbaren. Um mir dann zu sagen, dass es vorbei ist, ehe es überhaupt angefangen hat.»
June ließ einen Zuckerwürfel in ihren Tee sinken. «Ich glaube nicht, dass er dafür extra hundertfünfzig Mäuse für das Fischadlerzimmer hinblättern würde.»
Isabel lächelte.
*****
Am Samstagnachmittag hatte Isabel die Deans in einem geschäftigen Kommen und Gehen beobachtet. Als sie angekommen waren, hatte Alexa Isabel kaum eines Blickes gewürdigt, und Emmy wollte sofort den lieben Nachbarshund besuchen gehen, mit dem sie beim letzten Mal so schön gekuschelt hatte, was ihrer Schwester wiederum einen fast komischen Stierblick samt heruntergeklappter Kinnlade entlockte. Der Blick, mit dem Griffin Isabel beim Hereinkommen bedacht hatte – so voller
Gefühl
–, hatte ihr eine Gänsehaut beschert, und Isabel hätte
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