Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia March
Vom Netzwerk:
nicht an. Und Männer, denen sie sich langsam öffnete, machten keinen plötzlichen Rückzieher, der dafür sorgte, dass sie sich wieder in ihrem Schneckenhaus verkroch.
    Andererseits war es genau diese Einstellung gewesen, mit der Albert Brooks sich in
Rendezvous im Jenseits
den Weg in den Himmel versperrt hatte.
    Sie schauten den Rest der Briefe durch, und Isabel stieß auf ein ganzes Paket fotokopierter Briefe, die Lolly im Laufe der Jahre an die Lehrer und Rektoren von Isabel, June und Kat geschickt hatte.
    Liebe Miss Patterson,
    vielen Dank dafür, dass Sie mich auf Isabels Weigerung hinweisen, sich am Englischunterricht zu beteiligen oder einen Aufsatz zum erwähnten Text abzuliefern. Wie Sie wissen, hat Isabel vor weniger als einem Monat ihre Eltern verloren und findet nur langsam ihren Weg zurück in den Alltag. Vielleicht ist es Ihnen möglich, hier ein wenig Nachsicht und Mitgefühl walten zu lassen, vor allen Dingen, da der Text, um den es geht, von einer glücklichen, intakten Familie handelt.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Mrs. Lolly Weller
    Isabel war sprachlos. «Ich hatte keine Ahnung, dass Lolly damals so hinter mir stand! Sie war immer so nüchtern. ‹Tu, was von dir erwartet wird, dann geht auch alles seinen Gang!› Weißt du noch, wie sie das immer gesagt hat? Ich habe es gehasst!»
    «Ich auch. Vor allem, weil sie meistens recht hatte. Komisch – eigentlich hat sie sich nicht verändert. Sie ist immer noch so reserviert, auch wenn sie sich langsam ein bisschen öffnet. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ihre Art inzwischen eher zu schätzen weiß. So ganz ohne Zuckerguss, falls du weißt, was ich meine.» June überflog einen weiteren Brief aus Lollys Päckchen. «Hör dir das mal an. ‹Sehr geehrter Rektor Thicket. Meine Tochter Kat hat mir wiederholt von zwei Klassenkameradinnen berichtet, die sie ständig ärgern, ihr ‹Waisenkind› hinterherrufen und sich über ihre Kleidung lustig machen. Ich habe dies bereits zweimal angesprochen, ihrer Klassenlehrerin und auch Ihnen gegenüber. Sollte mir noch ein einziger derartiger Vorfall zu Ohren kommen, tauche ich mit Channel 8 im Schlepptau in der Schule auf und konfrontiere Sie mit der Frage, weshalb die Schulleitung nichts unternimmt, um meine Tochter vor Schikanen in Schutz zu nehmen! Mit vorzüglicher Hochachtung, Lolly Weller›.»
    «Wow!», sagte Isabel. «Das müssen wir Kat zeigen. Lolly hat immer so getan, als würde sie unser Kram etwa Dreiviertel der Zeit überhaupt nicht interessieren. Und im Hintergrund macht sie Rektor Thicket die Hölle heiß.»
    Oben klingelte das Telefon, und kurz darauf tönte Kats Stimme die Kellertreppe herunter. «Isabel? Telefon!»
    Isabel sprang die Stufen hinauf ins Büro und nahm den Hörer, den Kat auf dem Tisch hatte liegen lassen. Außerdem hatte sie die Post auf den Tisch gelegt, zuoberst ein in Teenagerhandschrift an Isabel adressierter Umschlag ohne Absender. «Hallo? Hier spricht Isabel McNeal?»
    «Ich würde für Samstagabend gerne das Fischadlerzimmer reservieren, falls möglich. Ein Erwachsener, zwei Kinder.»
    «Griffin?», fragte Isabel, obwohl völlig außer Frage stand, wem die kräftige, tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung gehörte.
    «Es tut mir leid, dass ich nicht früher zurückgerufen habe. Ich war – egal, lass uns am Wochenende in Ruhe darüber reden. Vorausgesetzt, das Zimmer ist noch frei.»
    «Zufällig ist gerade gestern eine Reservierung für das Fischadlerzimmer storniert worden.»
    «Dann sehen wir uns Samstag, die Mädchen, du und ich. Ach, und Isabel? Vielleicht könnten wir beide am Abend noch einen Spaziergang machen, wenn ich Emmy ins Bett gebracht habe?»
    Ihr Herz machte einen Sprung. «Sehr gerne.»
    Ihr lagen unzählige Fragen auf der Zunge. Aber im Augenblick war nur wichtig, dass er und seine Töchter am Wochenende kommen würden. Es fühlte sich an wie eine ausgestreckte Hand.
    Als sie aufgelegt hatte, öffnete sie den gelben Briefumschlag. Darin lag eine Karte von Alexa Dean.
    An Isabel:
    Was Montag passiert ist, tut mir leid. Ich hätte nicht sagen dürfen, dass ich Emmy im Auge behalte, als Sie ins Haus gegangen sind, obwohl ich es nicht vorhatte. Das war ein Fehler. Es tut mir leid, dass ich Ihnen so viel Ärger gemacht habe.
    Alexa D.
    Isabel zog lächelnd eine Augenbraue hoch. Sie sah die Szene förmlich vor sich: Griffin, wie er hinter Alexa stand, sie mit Ohrstöpseln und finsterem Gesicht, während er sie dazu zwang, einen

Weitere Kostenlose Bücher