Der Sommer der lachenden Kühe
um sich eine zweite Fuhre Zwiebeln zu holen. Sorjonen hörte es schnaufen, als es unter dem Zaun hindurch auf das Museumsge lände kroch. Er kletterte schleunigst auf das Sturmge schütz und verhielt sich ganz still. Das Wildschwein kam zielsicher und vertrauensvoll zum Panzer getrabt und fing an, Zwiebeln zu verschlingen. Sorjonen zählte, dass es sich neun Stück ins Maul stopfte, die beiden ersten fraß es, die anderen nahm es als Vorrat mit. Als es keine weiteren Zwiebeln mehr aufnehmen konnte, blickte es kurz zu den Panzern und trollte sich.
Nachdem das Wildschwein weg war, öffnete Seppo Sorjonen die Luke des Sturmgeschützes. Ekelerregender Gestank schlug ihm entgegen. Er kletterte hinunter und fand im Fahrzeug den schlafenden Taavetti Rytkönen. Taavetti stank nach altem Schnaps und Zwiebeln. Er war in jämmerlicher Verfassung, klammerte sich an Sorjonen wie ein kleines Kind, hängte sich regelrecht an seinen Hals. Es kostete Sorjonen große Anstrengung, ihn aus den Tiefen des Panzers ans Tageslicht zu beför dern.
Die Männer setzten sich auf den Aufbau des Panzers. Sorjonen zündete sich eine Zigarette an und hielt auch Rytkönen die Schachtel hin. Der schüttelte jedoch ab lehnend den Kopf. Sein Anzug war völlig hinüber, an vielen Stellen zerrissen und von oben bis unten dreck verschmiert. Sein Gesicht war von den vielen Tränen geschwollen, im eingefallenen Mund hatte er kein Ge biss. Seine Hände waren mit blutigen Schrammen be deckt.
»Wer bist du?«, fragte Taavetti Rytkönen. »Und wo bin ich hier?«, fuhr er dann niedergeschlagen fort.
Seppo Sorjonen erzählte, dass er ein ehemaliger Taxi fahrer sei und Taavetti Rytkönen zunächst von Tapiola nach Hämeenlinna und dann hierher gebracht habe.
Langsam kehrte Rytkönens Erinnerung zurück. Er klagte über seinen Kater. Er konnte sich allerdings nicht erinnern, warum er in das Sturmgeschütz gestiegen war. Seppo Sorjonen konnte ebenfalls nichts zur Aufklärung beitragen. Er habe nur das Taxi auf den Flugplatz von Tampere gebracht und sei erst abends von dort zurück gekehrt.
Sorjonen half dem Alten vom Panzer herunter und führte ihn zum Zaun. Dort hob er ihn auf die Schultern und forderte ihn auf, hinüberzuklettern. Taavetti Rytkö nen war furchtbar schwer, mindestens neunzig Kilo, schätzte Sorjonen unter seiner Last.
»Können wir nicht einfach durch die Pforte gehen?«, fragte Rytkönen. Seppo Sorjonen erklärte ihm, dass die Pforte geschlossen sei, das Museum habe nachts nicht auf. Rytkönen sagte, er würde lieber ein Loch in den
Zaun reißen als hinüberzuklettern, er sei schließlich ein alter Mann. Doch Sorjonen schob ihn unerbittlich am Hintern hoch, Rytkönen wuchtete sich auf den Zaun und plumpste auf der anderen Seite hinunter, dass der Boden dröhnte.
Nachdem auch Sorjonen hinübergeklettert war, gingen sie zum Auto. Sorjonen fragte, wo Rytkönens Gebiss sei.
»Keine Ahnung… ich muss mir wohl ein neues ma chen lassen.«
Dann forderte Sorjonen ihn auf nachzusehen, ob er sein Geld noch habe. Der alte Mann steckte die Hand in die Brusttasche und zog ein dickes Bündel Scheine heraus. Es war noch alles da.
»Glaub bloß nicht, dass ich mein Geld verliere. Neue Zähne bekommt man immer, aber mit Geld ist das schon schwieriger.«
»Wohin fahren wir jetzt?«, fragte Sorjonen. »Wohin du willst«, erwiderte Rytkönen. Sorjonen star
tete den Motor und sagte, er werde zunächst nach Tam pere fahren. Es sei besser, rechtzeitig abzufahren, ehe das Museum öffnete, dann brauchten sie nicht Dinge zu erklären, von denen sie eigentlich gar nichts wussten oder an die sie sich zumindest nicht erinnern konnten.
Als das Auto weg war, besuchte das Wildschwein noch zweimal das Panzermuseum. Dann wurde dort geöffnet, und Menschen liefen auf das Gelände. Das Schwein hielt es für klüger, die Zwiebeltransporte einzu stellen. Es trug die letzte Fuhre zu seinem drei Kilometer entfernten provisorischen Stützpunkt, einem Ameisen nest, in dessen Schutz es die Beute vergraben hatte. Das Wildschwein war mit seinem nächtlichen Fleiß zufrieden. Es besaß einen schönen Batzen leckerer Zwiebeln sowie ein Gebiss, das es probehalber ins Maul nahm. Mit dem Ding ließ sich schön spielen, es roch anziehend und war so hübsch rosa. Gegen Morgen trafen die Männer in Tampere ein. Rytkö nen versuchte sich zu erinnern, welche Hotels es in der Stadt gab. Das Hotel Tammer kam ihm bekannt vor, und so fuhren sie dorthin. Seppo
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