Der Sommer der lachenden Kühe
Sorjonen versuchte, das Äußere seines Begleiters ein wenig aufzubessern, ehe sie sich an der Rezeption meldeten. Es half nicht viel, Taa vetti Rytkönen sah so verlottert aus, als käme er gerade aus einer Panzerschlacht, und das traf ja im Grunde auch zu.
Der Hotelportier blickte zunächst angewidert auf Ryt könens Kleidung, doch dann erkannte er ihn, und ein strahlendes Lächeln zog über sein Gesicht.
»Vermessungsrat Rytkönen! Herzlich willkommen!« Er erklärte, dass das Hotel um diese Jahreszeit nor
malerweise voll belegt sei, doch für den Herrn Vermes sungsrat und seine Begleitung sei natürlich immer etwas frei. Etwas mehrdeutig fuhr er fort:
»Sie haben anscheinend in letzter Zeit hauptsächlich im Terrain gearbeitet?«
Taavetti Rytkönen ließ sich nicht auf Scherze ein, sondern griff nach dem Schlüssel und eilte zum Lift. Ihre Zimmer befanden sich in der dritten Etage des Hotels. Das Fenster bot einen Ausblick auf das Zentrum von Tampere und den Park an der Stromschnelle.
Rytkönen nahm sich eine Büchse Bier aus dem Kühl schrank und trank sie leer. Dann entledigte er sich seiner schmutzigen Kleidung, wusch sich und legte sich schlafen. Sorjonen versprach, ihn zum Frühstück zu wecken. Anschließend zog sich Sorjonen in sein eigenes Zimmer zurück und warf sich aufs Bett. Er grübelte darüber nach, ob Taavetti Rytkönen tatsächlich Vermes sungsrat war oder ob der Portier nur gescherzt hatte.
Rytkönen traute sich zum Frühstück nicht ins Re staurant, er sagte, ohne Gebiss könne er nicht einmal Brötchen essen. Er bestellte sich Kaffee und Hafergrütze aufs Zimmer, Sorjonen frühstückte und kam dann nach oben, um seinen Gefährten abzuholen. Sie fuhren in die Stadt, um für Rytkönen neue Sachen zu kaufen und die Kleidungsstücke zu ersetzen, die im Panzer hatten dran glauben müssen.
In einem Herrenbekleidungsgeschäft fanden sie für Rytkönen einen passenden Anzug aus grauem Wollstoff. Sie kauften gleich noch einen zweiten als Reserve. Der Vorschlag kam von Sorjonen, der bemerkt hatte, dass die Kleidung seines Gefährten nicht lange intakt blieb. Sie erstanden auch Unterwäsche und mehrere Hemden. Den neuen Anzug behielt Rytkönen gleich an, Sorjonen brachte den alten Anzug aus der Kabine und übergab ihn der Verkäuferin.
»Diese Lumpen können Sie in den Müll werfen.« Nachdem sie auch noch neue Schuhe gekauft hatten,
fuhr Sorjonen seinen neu eingekleideten Gefährten ins Hotel zurück und schärfte ihm ein, nicht allein auszu gehen. Gleichzeitig bat er ihn um ein wenig Geld, denn er wolle einige notwendige Reiseutensilien einkaufen.
Sorjonen erwarb für Rytkönen einen Koffer und für sich selbst eine Stofftasche. Er kaufte Rasierzeug, Shampoo, Handtücher, Zahnbürsten, Deodorant, Strümpfe, Papiertaschentücher, zwei Kämme, einen Korkenzieher, einen Flaschenöffner – allerlei Kleinkram, den man auf Reisen eben so brauchte. Dann suchte er sich aus dem Telefonbuch die Nummer eines Zahntech nikers heraus und ließ sich für Rytkönen einen Termin geben. Der Zahntechniker erklärte sich bereit, den Patienten noch am selben Tag zu empfangen, nachdem Sorjonen ihm erzählt hatte, es handle sich um einen Notfall: Ein alter Vermessungsrat habe sein Gebiss verloren und könne nichts anderes essen als Brei und Pudding.
Am Nachmittag wurde Rytkönens Mund mit Ab druckmasse voll gestopft, und er wurde aufgefordert, die Kiefer zusammenzubeißen. Rytkönen saß mit saurer Miene und unbeweglichem Kiefer auf dem Stuhl des Zahntechnikers.
Während der Zahntechniker darauf wartete, dass die Masse fest wurde, unterhielt er seinen Patienten mit Geschichten aus seinem Privatleben. Er hatte seiner Frau zum Muttertag einen Brotbackautomaten ge schenkt. An sich ein lohnender Kauf, aber Madame hatte das Gerät in die Sommerhütte geschleppt. Dage gen war eigentlich nichts einzuwenden, denn am Wo chenende schmeckte frisches Brot natürlich auch gut.
»Wir haben in der Hütte allerdings keinen Strom, so dass mir der verdammte Apparat bloß Ärger macht. Der braucht eine Unmenge Strom, um so ein Brot zu ba cken. Zuerst habe ich einen Generator angeschafft und ihn unter der Saunaterrasse aufgestellt, aber meine Frau konnte sich an das Rumpeln nicht gewöhnen. Jedes Mal, wenn bei uns gebacken wurde, dröhnte die ganze Gegend, und zudem ging jede Menge Benzin dabei drauf.
Also bin ich dazu übergegangen, den verfluchten Ap parat mit Akkustrom zu speisen. Ich habe ein
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