Der Sommer der lachenden Kühe
Amtshilfe bitten. Die Ge schichte werde sich möglicherweise zu einem Präzedenz fall ausweiten. Wo komme der finnische Staat hin, wenn die Leute ungestraft ganze Bauernhöfe plattmachen dürften?
Seppo Sorjonen bat den Kommissar, ihnen in Seinä joki im Hotel Lakeuden Esi-Kartano Zimmer reservieren zu lassen, er versprach, sich zusammen mit Rytkönen dort einzuquartieren. Der Kommissar knurrte, er pflege normalerweise für Verdächtige keine Hotelzimmer zu bestellen, die übliche Praxis sei es, die Gauner in eine Zelle zu sperren. Dennoch beauftragte er seine Sekretä rin mit der Reservierung. Sorjonen führte Rytkönen zum Auto. Bevor sie nach Seinäjoki fuhren, besuchten sie Heikki Mäkitalo im Gesundheitszentrum.
Der Bauer lag auf der Pflegestation, das Bein im Streckverband, und rauchte mürrisch. Sein Bett stand direkt am Fenster, und er versuchte, den Zigaretten rauch durch den Lüftungsspalt hinauszublasen. Im Zimmer lagen noch drei weitere Patienten, die über das Rauchverbot schimpften und Mäkitalo beneideten, weil der an seinem Platz qualmen konnte.
Mäkitalo erzählte, der Kommissar sei da gewesen und habe ihm zur Zerstörung seines Neusiedlerhofes läppi sche Fragen gestellt. Er, Mäkitalo, habe geantwortet, dass es auf dem Lande immer mal Katastrophen gebe. Manchmal brenne ein Kuhstall ab oder es explodiere ein Keller. Man könne nicht immer voraussagen, wann so etwas eintrete. Die Landwirtschaft habe nun mal ihre eigenen Gesetze. Der Kommissar habe fürs Erste mit einer Anklage wegen Wald- und Feldfrevel und Brand stiftung gedroht, dafür gebe es im besten Fall ohne weiteres ein paar Jahre Gefängnis. Weiterhin habe der Kommissar mit Untersuchungen durch das Liegen schaftsamt und enormen Schadenersatzforderungen gedroht.
»Er hat mich einen Vaterlandszerstörer genannt. Ich habe ihm gesagt, dass wir mit den Panzertruppen in den Nachbarstaaten auch schon Flächen zerstört hätten, insofern ist das also nichts Neues.«
In Seinäjoki fuhren sie zum Hotel Lakeuden Esi-Kartano. Der Rezeptionist am Empfang betonte, dass die Reser vierung der Zimmer durch den Kommissar von Lestijärvi veranlasst worden sei. Er bat die beiden Gäste, die Anmeldeformulare gleich am Tresen auszufüllen, an schließend kontrollierte er sie sorgfältig, ehe er ihnen die Schlüssel aushändigte. Sorjonen brachte das Gepäck auf die Zimmer, die sich in der dritten Etage befanden. Vor dem Fahrstuhl traf er auf zwei dunkelhaarige, bärti ge Männer, die sich in einer fremden Sprache unterhiel ten. Sie machten einen ziemlich verwegenen Eindruck. Als sie Sorjonen sahen, grüßten sie auf Englisch. Einer der beiden Männer hatte ein metallenes Maßband in der Hand, mit dem er die Breite des Flurs vermaß. Der andere schrieb die Zahlen in ein abgegriffenes kleines Heft mit rotem Umschlag.
Taavetti Rytkönen wünschte zu ruhen. Sorjonen un tersuchte sein Herz und seine Lunge. Der Alte war in relativ guter körperlicher Verfassung, doch mit seiner geistigen Leistungsfähigkeit stand es nicht zum Besten. Sein Gedächtnis wurde von Tag zu Tag schwächer, die Gedanken verwirrten sich zunehmend, viele der für Demenz typischen Symptome zeigten sich jetzt bei ihm. Sorjonen zog jedes Mal den Arztkittel an, wenn er das Zimmer seines alten Freundes betrat. Rytkönen gewöhn te sich an, bis mittags zu schlafen, manchmal stand er überhaupt nicht auf, und die Mahlzeiten mussten ihm aufs Zimmer gebracht werden. So verging eine Woche. Dann wirkte sich der erholsame Lebensstil endlich aus. Der alte Panzersoldat wurde munterer, stand wieder auf und schaute sich um. Er war sogar so gut beieinander, dass er den Namen seines alten Kriegskameraden wuss-te: Heikki Mäkitalo. Als er eines Abends in der Hotelbar ein paar Drinks genommen hatte, kam er auf die Idee, Mäkitalo im Gesundheitszentrum von Lestijärvi anzuru fen. Die beiden Alten plauderten fast eine halbe Stunde lang munter miteinander.
Seppo Sorjonen schrieb abends lange Briefe an seine Braut Irmeli Loikkanen nach Helsinki. Darin plante er die Hochzeit, seine künftige Arbeit, das Zusammenleben und auch die Anschaffung von Kindern, falls sie eine Wohnung bekommen würden. Seine Briefe reicherte er mit Gedichtzeilen über die Liebe an.
Außerdem machte er die Bekanntschaft der beiden Ausländer, die er am ersten Tag dabei beobachtet hatte, wie sie den Hotelflur ausmaßen. Die Männer erschienen morgens stets sehr zeitig zum Frühstück. Sie hatten
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