Der Sommer der lachenden Kühe
eine ziemliche Enttäuschung gewesen. Die Häuschen hatten sogar für albanische Verhältnisse sehr primitiv gewirkt, sie waren aus alten Balken zusammengezimmert gewe sen, und in den meisten gab es weder einen richtigen Fußboden noch sonst irgendwelchen Komfort. Sorgfältig, wie er war, hatte Skutarin dennoch einige Grundrisse der Saunen aufgezeichnet. Eines dieser Exemplare zeigte er Sorjonen. Es war die Sauna aus Palojärvi, der Bro schüre zufolge war sie irgendwann im achtzehnten Jahrhundert am Palojärvi-See in Enontekiö gebaut worden. Ein gewisser Alpo Suonttavaara hatte sie errich tet. Das Dach bestand aus gespaltenen Kiefernstämmen und einer Schicht Rinde, darüber lag Torf. Der Ofen stand in der hinteren Ecke, mit der Öffnung zur Tür. Im Raum gab es ein Abzugsrohr. Das Waschwasser wurde in einem Kessel am Seeufer gewärmt.
Skutarin meinte, das Erwärmen des Wassers sei in Albanien kein Problem, man müsse nur einen entspre chenden Kessel am Strand der Adria aufstellen, aber die Beschaffung gespaltener Kiefern und ausreichend gro ßer Rindenstücke könnte in dem bergigen Land schwie rig werden. Die dort heimische Pinie sei nämlich klein wüchsig und krumm, und auch die Birke sei nicht besser.
Nach Seinäjoki waren die beiden vor zwei Wochen ge kommen. Sie hatten das Hotel Lakeuden Esi-Kartano gründlich studiert, seinen Grundriss vermessen und aufgezeichnet. Alles war sorgfältig und fachkundig ge schehen. Skutarin glaubte, dass er in der Lage sei, nach seiner Rückkehr zu Hause ein ebensolches Hotel zu entwerfen. Das Schlimme war nur, dass es keine Ge wissheit über den Zeitpunkt der Rückkehr gab. Die politische Situation im Heimatland war angespannt. Außerdem war das Hotel in Seinäjoki teurer als ange nommen, die Reisekasse war im Laufe der Wochen sehr zusammengeschrumpft. Zum Glück gab es im Hotel ein reichhaltiges Frühstücksbüffet, sodass die beiden Män ner nicht wirklich hungern mussten. Die Abende wur den ihnen jedoch lang, und die Nächte vergingen mit dem Warten aufs Frühstück.
Seppo Sorjonen machte die beiden mit Taavetti Ryt könen bekannt, der ihnen gegenüber unvoreingenom men und freigebig auftrat. Er lud sie zu einem üppigen Abendessen ein und spendierte ihnen reichlich finni schen Schnaps. Der Tag endete in allgemeiner Ausgelas senheit. Besonders der Bosnier erwies sich als lustiger Gesellschafter, in seiner aufgedrehten Stimmung führte er den neuen Freunden und damit auch den übrigen Hotelgästen temperamentvolle Volkstänze vor. Im Re staurant speiste zufällig eine Gruppe des südwestfinni schen Bezirksverbandes der Landfrauenorganisation Martta, vierzig stramme Frauen, die einen Busausflug machten. Nach anfänglicher Zurückhaltung wollten sie unbedingt bosnische Volkstänze lernen. Es ging so hoch her, dass der Oberkellner schauderte. Gegen Mitter nacht riss die ausgelassene Frauenschar einen Tisch um, und das Hinterteil der stämmigsten Martta durch stieß die größte Trommel des Orchesters. Der Vorfall wurde später der »Knall von Seinäjoki« genannt.
Vermessungsrat Taavetti Rytkönen unterstützte seine neuen Freunde bei der Begleichung der Hotelrechnung. So kam die Völkerfreundschaft wieder einmal zum Tra gen – diesmal im flachen Österbotten, im Schatten des Lakeuden Risti, des Kreuzes der Ebene, in einem vor nehmen finnischen Hotel, dessen Kopie sich vielleicht einmal an der Adriaküste auf den von salzigen Wellen umspülten Kalksteinfelsen erheben wird. Auf den rußigen Ruinen von Heikki Mäkitalos zerstör tem Bauernhof, etwa auf der Höhe des gesprengten Kellers und zugeschütteten Brunnens, standen zwei Männer mittleren Alters. Sie vertraten die Obrigkeit.
Der eine hieß Oiva Laaksonen, er war Agronom und arbeitete als Sonderreferent im Liegenschaftsamt. Der andere war Forstmeister Tapio Huuskonen von der Finnischen Forstvereinigung. Beide Herren trugen graue Anzüge und Gummistiefel. In den Händen hielten sie Flurkarten und Aktenkoffer. Sie waren im Begriff, Art und Ausmaß der Zerstörung des Neusiedlerhofes von Panzerveteran Heikki Mäkitalo zu untersuchen. Der Kommissar von Lestijärvi hatte dazu sowohl das Liegen schaftsamt als auch die Forstvereinigung um Amtshilfe gebeten.
Er hatte in seinem Schreiben erklärt, er werde auf der Grundlage des zu erstellenden Gutachtens gegebenen falls Anklage gegen Landwirt Heikki Mäkitalo und seine Ehefrau Anna Mäkitalo, geb. Heikura, erheben.
Der
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