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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Grund und Boden stand und außerdem Eigentum des Elektrizitätswerkes war. Es war ihm schwer gefallen, das Häuschen zu verschonen, zumal Taavetti Rytkönen eifrig die Sprengung verlangt hatte. Jetzt stellte man fest, dass es doch gut gewesen war, wenigstens eine Insel in dieser Welt der Verwüstung übrig zu lassen. Als kluges Tier hatte die Katze den Transformator als bestmöglichen Platz entdeckt, von dem sie die unten tobende Verwüstungsorgie aus siche­ rer Entfernung beobachten konnte. Sie saß oben auf dem Dach, maunzte und traute sich nicht herunter. Alle Lockrufe waren vergebens.
    Die Mäkitalos mochten ihre Katze nicht dort oben sit-zen lassen. Sie hatten schon die Rinder auf die freie Wildbahn geschickt, sollten sie nun auch noch die Katze ohne Fürsorge in der rauchenden Landschaft zurücklas­ sen? Auf gar keinen Fall.
    Es erwies sich als schwierige Aufgabe, die Katze von ihrem schützenden Dach herunterzuholen. Sämtliche Leitern waren verbrannt, und es war kein Werkzeug da, um eine neue zu bauen. Auf der Umzugsfuhre fand sich unter der Plane ein starkes Seil, Mäkitalo knüpfte dar­ aus ein Lasso und warf es um die Isolatoren. Die Katze fauchte das Seil an, rührte sich aber nicht vom Fleck.
    Seppo Sorjonen bot sich an, sie herunterzuholen, doch das ließ Heikki Mäkitalo nicht zu. Er erklärte, er trage die Verantwortung für die Katze. Auf einen Hoch­ spannungstransformator zu steigen sei lebensgefährlich, sein eigenes Leben sei weniger wert als das eines Dok­ tors der Medizin. Auch Rytkönen fand, man sollte wegen einer Katze nicht gleich einen ganzen Arzt opfern, wenn billigere Rettungskräfte zur Verfügung standen.
    Heikki Mäkitalo kletterte am Seil hinauf, für sein Alter war er noch äußerst gelenkig. Auf dem Dach angekom­ men, richtete er sich auf, nahm die Katze auf den Arm und streichelte sie, um sie zu beruhigen. Dann warf er sie aus voller Höhe hinunter. Sie war von dem Ereignis überrascht und versuchte in den rauchenden Wald zu fliehen, doch die aufmerksame Bäuerin konnte sie rechtzeitig einfangen.
    Alles wäre gut gewesen, hätte Mäkitalo nicht beim Hinunterklettern danebengegriffen und statt am Seil an der elektrischen Leitung Halt gesucht. Ein unheilvolles Knistern war zu hören, und der Alte fiel mit rauchender Latzhose auf die Erde.
    »Oberschenkel gebrochen, offener Knochenbruch zweiten Grades«, stellte Doktor Sorjonen erschüttert fest.
    Der Transformator fing Feuer, doch das interessierte jetzt niemanden mehr. Zum Glück war der ganze Hof bereits zerstört. Man trug den Bauern zum Anhänger und hob ihn hinauf. Er klagte nicht viel, er war ein zäher finnischer Mann, der auch die größten Schmerzen für sich behielt. Er war immerhin so weit bei Bewusst­ sein, dass er erzählen konnte, was mit ihm geschehen war: »Mir fuhr ein heißer Blitz von den Händen in die Füße, der muss richtig durchgegangen sein, sonst wäre ich nicht runtergefallen…«
    Man untersuchte die Ärmel seines Arbeitsanzuges und seine Stiefel. Sie wiesen Brandspuren auf. Hoch­ spannungsstrom war durch den Körper des Bauern geflossen. Das hatte den Vorteil, dass die Auswirkungen des schweren Stromschlags die durch den Schenkel­ bruch verursachten Schmerzen überdeckte. Seppo Sorjonen erinnerte sich dunkel, in einem Buch über Psychiatrie gelesen zu haben, dass man Elektroschocks einsetzte, um die Gemütsverfassung der Patienten zu verbessern.
    Während Seppo Sorjonen mit der Kompetenz eines Sanitätsunteroffiziers das gebrochene Bein mit dem Blatt des alten Spinnrads schiente, das er auf dem Anhänger gefunden hatte, lenkte die Bäuerin den Trak­ tor durch den Bach und kuppelte mit Rytkönens Hilfe den Anhänger an. Sorjonen schloss sein Auto ab. Die Katze kam in Rytkönens Obhut.
    Die Bäuerin setzte sich ans Lenkrad des Traktors und rief:
    »Haltet euch fest, Männer! Jetzt geht es los!« In einer Staubwolke ratterte der Traktor über die
    Landstraße. Die Abfahrt war so ruckartig erfolgt, dass Rytkönens Kaffeemühle vom Anhänger fiel und in den Graben rollte. Dort blieb das Erinnerungsgeschenk, das Leena Niemelä ihrem Liebsten gegeben hatte, zurück. Anna Mäkitalo fuhr im Höllentempo zum Kirchdorf Lestijärvi, das sie bereits eine halbe Stunde später er­ reichten. Sie donnerte mit dem Traktor geradewegs auf den Hof des Gesundheitszentrums, stoppte vor der Ambulanz und sprang vom Fahrersitz. Sie rannte ins Haus und kam bald mit einem weiß bekittelten Arzt und zwei Schwestern

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