Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Esszimmer beisammen. Die Mahlzeit war einfach, um der Köchin Zeit zu lassen, das opulente Menü für den nächsten Abend vorzubereiten. Die Stimmung war gelöst – bis Jason beschloss, Byrne auszufragen.
»Mr Worth«, sagte er, während er seine Suppe löffelte, »aus welchem Grund haben Sie beschlossen, uns heute mit Ihrer Anwesenheit zu beehren?«
»Es ist ein lange überfälliger nachbarschaftlicher Besuch«, erwiderte Byrne freundlich und lächelte charmant in die versammelte Runde. Jeder hatte beim Essen innegehalten, um seine Antwort nicht zu verpassen. »Ich hätte Ihrer Familie gleich nach Ihrer Ankunft meinen Respekt entbieten müssen, habe das aber leider versäumt.«
»Ich versichere Ihnen, das war unnötig«, entgegnete Jason mit zusammengebissenen Zähnen. »Schließlich sind wir uns bereits begegnet.«
Die Anwesenden schauten auf Byrne.
»Aber ich habe mich Ihrem Vater noch gar nicht vorgestellt«, sagte Byrne. »Schließlich hat er ein Recht zu erfahren, wer sich auf seinem Grund und Boden aufhält. Außerdem war mir das Durcheinander hier zu Ohren gekommen, und ich dachte, dass ich still im Hintergrund behilflich sein könnte.«
»Und das war er auch!«, rief Charles. »Um ehrlich zu sein, bei uns allen lagen die Nerven blank, bevor er hier aufgetaucht ist!«
»In der Tat«, bestätigte Nevill. »Er kam herein und hat alles in die Hand genommen. Mir tut es beinahe leid, dass ich Sie irrtümlich des Diebstahls bezichtigt habe.«
Byrne prostete in Nevills Richtung; Nevill prostete zurück.
»Man hat Sie für einen Dieb gehalten?«, fragte der Duke mit überrascht hochgezogenen Brauen.
»Ja, so wurden wir einander vorgestellt«, ergänzte Nevill.
»Warum werde ich über solche Dinge nicht unterrichtet?«, erwiderte der Duke. »Ich habe schon seit einer Ewigkeit keinen Klatsch und Tratsch mehr gehört.«
»Vater, ich habe ihn nie für einen Dieb gehalten«, mischte Jane sich ein und warf Jason einen mahnenden Blick zu. »Genauso wenig wie Jason. Deshalb haben wir es nicht erwähnt.«
»Es handelt sich um ein Fehlurteil, zu dem es allerdings ziemlich leicht kommen kann«, unterbrach Byrne, »da ich in der Gemeinde nicht besonders gut bekannt bin. Schließlich sind wir alle nur Menschen. Wir können nicht ständig über allen Dingen stehen.«
»Sie halten sich selbst also für fähig, solche Schandtaten zu begehen?«, warf Jason ein, kniff die Augen zusammen und neigte sich zu seiner Schwester.
»Jase, lass uns bloß nicht über Schandtaten reden!«, schniefte Charles. »Da gab es doch diese Sache … wo war es doch gleich … in Barcelona …«
»Danke, Charles«, gab Jason scharf zurück und erntete dafür ein nicht gerade leises Kichern aus der Tischrunde.
»Jetzt mal Scherz beiseite«, sagte Byrne, ohne Jason aus den Augen zu lassen, dessen Gesicht sich gerötet hatte. »Ja, ich halte mich gewisser Schändlichkeiten für fähig. Als ich noch in der Armee diente, habe ich für König und Vaterland Dinge getan, die ich aus eigenem Antrieb eigentlich nicht getan hätte. Aber das ist jetzt vorbei.«
»Außerdem«, fügte der Duke hinzu, »standen Sie unter dem Befehl der Krone. Welche Sünden auch immer Sie begangen haben mögen, es geschah, um dieses Land zu schützen. Es ist ein Unterschied, für ein höheres Ziel zu sündigen oder aus Faulheit oder Gier. Weshalb dieser Straßenräuber vermutlich tut, was er tut.« Ein überraschter Blick seitens seiner Tochter ließ den Duke fortfahren: »Ja, ich weiß alles über den Straßenräuber. Nur nicht, dass dieser junge Mann beschuldigt worden ist. Kind, um Himmels willen, ich habe doch Ohren.«
Aber seine Worte trugen nicht dazu bei, das Blickduell zwischen Jason und Byrne zu verhindern.
»Und was ist in Friedenszeiten?« Jason dachte gar nicht daran, einen anderen Kurs einzuschlagen. »Wie beschwichtigen Sie Ihre Schuldgefühle wegen der Schandtaten, die Sie damals verübt haben?«
Byrne hielt Jasons Blick stand. »Das weiß ich nicht«, sagte er langsam. »Wie schaffen Sie es denn?«
Bevor die Röte auf Jasons Wangen noch weiter aufblühen konnte, wechselte Mr Thorndike dankenswerterweise das Thema.
»Mr Worth, Sie erwähnten, dass Sie in der Armee gedient haben«, sagte er und biss mit Inbrunst in seinen Lammbraten. »Dann ist Ihnen das Hufeisen-Spiel ganz sicher vertraut.«
Byrne nickte. »Ja, durchaus. Ein paar Jungs im Siebzehnten Regiment haben es von ihren amerikanischen Cousins erlernt. Alle waren ganz verrückt darauf …
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