Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Firmament den Großen Bären.
Und er fasste einen Entschluss.
Er kehrte nach Hause zurück, beachtete aber weder die Papiere im Wohnzimmer noch gab er Dobbs Antwort, als der fragte, ob sie zum Abendessen ins Oddsfellow Arms aufbrechen sollten. Nein, er stieg die Treppe hinauf, riss das Dielenbrett hoch und zog die Schatulle aus ihrem Versteck im Fußboden hervor.
Dann verließ er das Haus und ging an das Ufer des Sees.
Zu lange schon hatte er es zugelassen, dass Jane ihm Kraft gab. Er hatte von ihrer Energie und Lebendigkeit gezehrt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, welchen Preis sie dafür zu zahlen hatte.
Während Byrne den Rest der goldfarbenen Flüssigkeit in den See schüttete und zusah, wie diese kostbaren Tropfen sich im Wasser verloren, fasste er einen Entschluss: Es war an der Zeit, der Mann zu sein, den Jane brauchte.
Der nächste Tag im Cottage verlief furchtbar hektisch. Es war der Tag vor dem Ball, und zusätzlich zu allen Vorbereitungen musste es natürlich so kommen, dass in den verschiedenen Bereichen der Vorbereitung des Festes (Küche, Musik, Dekoration, Unterbringung, Gärten) irgendwelche Katastrophen zu bewältigen waren (der Gärtner wollte sich beinahe das Leben nehmen, als vorgeschlagen wurde, die Anlage für das Hufeisen-Spiel zu entfernen). Überdies galt für den gesamten Haushalt das Gebot, auf die Gesundheit des Dukes Rücksicht zu nehmen – und auf seine Tochter, die sorgsam über alles wachte.
Janes Gefühle schwankten zu gleichen Teilen zwischen fast wahnwitziger Aufmerksamkeit für jedes kleinste Detail und dumpfer Verzweiflung. Nein, Verzweiflung war ein zu hartes Wort. Apathie vielleicht, möglicherweise auch Teilnahmslosigkeit ; Jane verweigerte sich der Verzweiflung. Sie kam zu sehr nach ihrer Mutter: Welcher Herausforderung auch immer sie sich gegenübersehen mochte, sie würde fünf Sekunden lang seufzen, dann die Schultern straffen und das Problem anpacken. Es fiel ihr jedoch schwer, die Schultern zu straffen, weil es nichts gab, worauf sie sich freuen konnte.
Die Pläne für den Ball interessierten sie genau genommen nicht. Eigentlich war das von Anfang an der Fall gewesen, aber sie hatte versucht, ihrem Bruder den Gefallen zu tun, ebenso wie Victoria und dem ganzen Dorf. Aber jetzt hatte alles seinen Glanz verloren. Die Vorfreude, die alle erfüllte, raubte ihr nur den letzten Nerv. Charles’ und Nevills Unterstützung erwies sich als unschätzbar; aber als die beiden in einen Streit darüber ausbrachen, welcher Portwein serviert werden sollte (Charles beharrte auf dem 93er, während Nevill für den 91er schwärmte), verzogen sie sich länger als eine Stunde schmollend in ihre Zimmer und überließen es Jane, sie zu überreden, wieder herauszukommen.
Sie klopfte soeben leise an Charles’ Tür und bat ihn, wieder herauszukommen, als Jason mit Reitzeug in der Hand vorbeikam.
»Wo willst du denn hin?«, fragte Jane und musterte ihn.
»Raus aus diesem Irrenhaus«, erwiderte Jason, während ein Lakai und zwei Hausmädchen mit Tischtüchern bepackt an ihm vorbei in die Halle gingen. Jason klopfte ebenfalls an Charles’ Tür. »Charles!«, bellte er. »Ich mache einen Ausritt. Komm mit!«
Von drinnen kam keine Antwort, lediglich das Geräusch schlurfender Schritte war zu hören.
Jason blickte Jane an und zuckte die Schultern. Dann sah Jane einen der Diener einen großen Strauß Rosen vorbeitragen. Sie klopfte nochmals an Charles’ Tür. »Charles, die Blumen sind geliefert worden!«
Unverzüglich wurde die Tür geöffnet.
»Gut! Gerade noch rechtzeitig. Haben sie nur die langstieligen roten Rosen gebracht oder auch die Wildblumen, die wir bestellt hatten?«, wollte Charles wissen, während er das Zimmer verließ, sein Jackett zurechtrückte und ohne auf eine Antwort zu warten die Verfolgung der Blumen aufnahm.
Kurz darauf tauchte Nevill wieder aus seinem Zimmer auf, er hatte offenbar gehört, welche Neuigkeit Jane verkündet hatte. »Die Blumen sind gekommen? Wehe wenn Charles versucht, seine vermaledeiten Wildblumen aufzustellen …«, brummte er und stürmte seinem Bruder nach.
Keiner der beiden hatte Jason auch nur eines Blickes gewürdigt.
»Was hast du nur mit meinen Freunden angestellt?«, fragte Jason irritiert, nachdem Nevill verschwunden war, und fügte kopfschüttelnd hinzu: »Ist auch egal, zumindest bist du beschäftigt. Bis nachher, Schwesterchen.«
»Die Bibliothek haben wir verschont!«, rief Jane ihm nach, als er pfeifend davonging.
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