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Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Titel: Der Sommer der Lady Jane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Noble
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sie wusste, dass man sich in Reston zuerst dies und nichts anderes über sie erzählte. Mochte sie auch allen Glanz Londons an sich haben; hier würde sie auf immer und ewig fünf Jahre alt und nackt bleiben.
    Die Wiltons dehnten ihren Besuch nicht besonders lange aus. Sie waren so gnädig, sich nach der vorgeschriebenen halben Stunde zu verabschieden, nachdem Lady Wilton Jane und Jason zu einem Besuch eingeladen hatte. Die nächsten Besucher waren Mrs Morgan und ihre zwei jungen Töchter. Sie waren in der Kutsche hinter den Wiltons die Auffahrt heraufgekommen und ließen sich bei Jane anmelden, kaum dass die Wiltons das Haus verlassen hatten. Mr Morgan war Gutsherr und besaß eine der größten Farmen in der Gegend. Daher erfuhr Jane von Mrs Morgan alles über die Launen des Wetters in den vergangenen fünf Jahren und dessen Auswirkungen auf die Ernte sowie natürlich weitere Einzelheiten über die Kuhtrift, und ob das nun eine gute Idee war oder nicht. »Nun, ich weiß einfach nicht, was zu tun ist … ich sage nur, dass Mr Morgan sich darüber so sehr echauffiert wie damals Ihre Mutter, als Sie splitternackt durchs Dorf gerannt sind.«
    Danach hatten die Lennoxes und die Vespers die Invasion fortgesetzt. Anschließend hatte sich Mrs Cutler mit ihren sieben Kindern, alle unter zehn Jahren, die Ehre gegeben. Während die jüngeren umherrannten und um Haaresbreite einige der geliebten Rauchglasvasen ihrer Mutter zerschlugen, hatte Mrs Cutler nur geseufzt und bemerkt, wie glücklich sie sich schätzte, kürzlich auf ein kleines Anwesen außerhalb des eigentlichen Dorfes gezogen zu sein, wo die Kinder sich austoben konnten. »Oh, Kinder können ja so wild und ungestüm sein, wie Sie bestimmt wissen – schließlich waren wir alle mal fünf und sind nackt herumgelaufen.«
    Auf jede Frage, die Jane über London gestellt wurde, bekam sie ein Dutzend Vorträge darüber mitgeliefert, wie man in Reston über dies und jenes dachte. Erkundigte sich zum Beispiel eine Besucherin bei Jane, ob ihr Kleid aus Moiré-Seide gearbeitet sei, wurde ihr, noch bevor sie antworten konnte, aufgezählt, welche Garderobe im Sommer für junge Damen empfehlenswert sei. Und wenn jemand besorgt wissen wollte, ob London für eine junge Frau wie sie denn eine sichere Stadt sei, bekam sie sofort die ergänzende Information dazugeliefert, dass es im Winter und im Frühjahr eine Reihe von Überfällen auf der Hauptstraße nach Windermere gegeben habe. Und jedes Mal, wenn Jane versuchte, die perfekte Gastgeberin zu sein, indem sie jene Würde und Zurückhaltung zeigte, die den Cummings seit Generationen im Blut lag und ihnen in jahrzehntelanger Erziehung eingeprägt worden war, geschah es, dass jemand mit einem viel zu guten Gedächtnis augenzwinkernd auf die Zeit zu sprechen kam, als sie fünf Jahre alt gewesen war und …
    Es war hoffnungslos.
    Sie wurde eingeladen, und man erwartete, dass sie jeden Besuch erwiderte. Dass sie ein Dinner ausrichtete oder sogar einen Ball – ein Gedanke, der sie erschaudern ließ. Und als der letzte Gast sie endlich in Frieden ließ, wollte Jane nur noch eins: laut schreien.
    »Aber das durfte ich natürlich nicht, weil es Vater zu sehr aufgeregt hätte«, erklärte Jane ihrem Bruder, der zu betroffen war, um ihr auch nur in die Augen zu schauen. Dabei war es gar nicht leicht, ihren Blick zu meiden, denn im Verlauf ihres Berichts war sie zu ihm gekommen und hatte sich über ihn gebeugt. »Du kannst dich glücklich schätzen, dass Nancy ihn schon zu einem Vormittagsspaziergang mitgenommen hat und dass er dich nicht in diesem Zustand sieht.«
    Jason war so gnädig, zerknirscht dreinzublicken, aber nur so lange, wie er die untere Hälfte seines Gesichts mit der Kaffeetasse bedecken konnte.
    »Wie bist du überhaupt in diesen Zustand geraten?«, fragte Jane.
    »… habnengläschenuntenntavernegetrunkn«, lautete die gemurmelte Antwort, während er sich gleichzeitig einen kräftigen Schluck Kaffee gönnte.
    »Wie bitte?«, hakte Jane nach.
    »Ich sagte, ich habe unten in der Taverne ein Gläschen getrunken. Oder auch zwei. Im Oddsfellow Arms.«
    Jane blinzelte ihn an.
    »Ist das alles? Du bist auf ein Glas ins Oddsfellow Arms gegangen?«
    Jason nickte, umschloss seine Kaffeetasse mit beiden Händen und schenkte ihr bemerkenswert große Aufmerksamkeit.
    »Und du hast bis heute Morgen gebraucht, um es auszutrinken?«, fuhr Jane spöttisch fort.
    Jason blickte seine Schwester, die sich immer noch über ihn beugte,

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