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Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Titel: Der Sommer der Lady Jane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Noble
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Jasons blutunterlaufenem Blick, als er Jane anschaute. Aber jegliche Spur von Gefühlsduselei verflüchtigte sich aus seinem Gesicht, als er seine übliche Miene lässigen Spotts aufsetzte.
    »Hör mit dem Gejaule auf, es geht mir gut«, beschied er sie, während er sich vorsichtig auf einem Stuhl niederließ. »Kaffee, bitte«, verlangte er von dem Diener, der ihm eine Serviette über den Schoß breitete.
    Jane brauchte einen Augenblick, um sich zu erholen. Ein paar tiefe, beruhigende Atemzüge brachten die gewohnt gesunde Farbe in ihr blasses Gesicht zurück. Während sie durchatmete, unterzog sie ihren Bruder einer strengen Musterung. Seine Kleidung war verdreckt und ihm fehlte eine Socke, aber davon abgesehen schien er heil und ganz. Weder hatte er Blutflecken auf seinen Kleidern noch waren sie zerrissen. Nachdem Jason sich gesetzt hatte, zog er einige Gegenstände aus den Taschen und legte sie auf den Tisch, darunter befanden sich auch seine goldene Taschenuhr und das Visitenkartenetui aus Silber.
    »Du bist nicht ausgeraubt worden«, stellte Jane mit klarer Stimme fest, in der nur ein kleines Schnaufen von ihrer leichten Hysterie zeugte.
    »Natürlich nicht.« Aus seinem Blick sprach blankes Unverständnis. »Sieh mich nicht so an. Du hast ja keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.«
    Das war das Signal für Jane, sich zu erheben. Sie ging um den Tisch herum zu ihrem Bruder, ballte die Hand zu einer jämmerlich schwachen Faust und versetzte ihm damit einige Hiebe auf die Schulter.
    »Autsch!«, rief er und rieb sich die malträtierte Schulter.
    »Und du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe, du Dummkopf«, rief Jane. »Die Wiltons, die Morgans und die Cutlers! Oh, du lieber Himmel, die Cutlers!«
    Tatsächlich hatte Lady Jane den größten Teil des vergangenen Tages geradezu herkulische Anstrengungen bewältigt. Geschwindigkeit und Ablauf des nachbarschaftlichen Überfalls waren unbarmherzig gewesen. Wie vermutet waren die Wiltons als Erste zur Tür hereingestürmt gekommen. Nur dass Lady Wilton nicht beide Töchter, sondern nur eine mitgebracht hatte.
    »Penelope hat sich vor ein paar Jahren verheiratet, meine Liebe. Wie freundlich, dass Sie sich nach ihr erkundigen. Sie lebt in Manchester, ihr Gatte ist Anwalt. Und sie hat zwei kleine Mädchen, eines ist noch ein Baby.« All das stieß Lady Wilton in einem einzigen Atemzug hervor. »Ich werde ihr schreiben, dass Sie nach ihr gefragt haben. Sie wird sehr gerührt sein. In ihren Kindertagen war Penelope ja die Spielkameradin Ihres Bruders! Sie hingegen waren in all den Jahren enger mit meiner Victoria befreundet. Hat sie sich nicht prächtig herausgemacht! Und jetzt seid ihr beide so erwachsen geworden!«
    Jane dachte, dass Victoria in der Tat zu einer hübschen jungen Dame geworden war. Und ganz gewiss machte es ihre Mutter keiner von ihnen beiden leicht, auch einmal zu Wort zu kommen. Bis jetzt erinnerte an Victoria nichts mehr an das lästige kleine Mädchen, das ihr viele Sommer lang wie ein Schatten gefolgt war.
    Bis Victoria Folgendes sagte: »Da wir gerade über deinen Bruder reden … mir ist zu Ohren gekommen, dass er ebenfalls hierbleibt? Wie geht es Jas… äh, dem Marquis?«
    Nein, Victoria hatte sich kein bisschen verändert.
    Noch bevor Jane eine Antwort geben konnte, wurde sie mit jeglichem Klatsch und Tratsch versorgt, den es innerhalb der letzten fünf Jahre im Umkreis von fünfzig Meilen gegeben hatte. Wie das Dorf bei den Morgans dafür warb, dass eine Kuhtrift angelegt wurde, die über ihr Land führte, damit die Viecher nicht mehr durch den Ort getrieben werden mussten. Dass die Witwe Lowe verstorben war, recht friedlich, im Schlaf, und dass sie ihr Haus einem Neffen vererbt hatte – ein ungeselliger Kerl, der behauptete, aus London zu kommen, aber niemals an irgendwelchen Versammlungen oder Geselligkeiten teilnahm. Dass Dr. Lawford einen neuen Partner in seine Praxis aufgenommen hatte. Oh, und dann natürlich, dass der Frederickson-Junge mit der Crandell-Tochter durchgebrannt war – und in welch heller Aufregung sich alle befunden hatten, weil die Kleine doch gerade erst fünfzehn geworden war.
    »Ich kann Ihnen versichern, Lady Jane, das ist der größte Skandal, der sich in Reston ereignet hat, seit Sie im Alter von fünf Jahren splitternackt über den Dorfplatz gerannt sind!« Lady Wilton lachte. Jane zwang sich zu einem milden Lächeln. Sie hasste diese Geschichte, an die sie sich ohnehin nur noch vage erinnern konnte. Aber

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