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Der Sommer, der nur uns gehoerte

Titel: Der Sommer, der nur uns gehoerte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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erinnern, wann ich zum letzten Mal in deinem Auto gesessen habe«, sagte ich und stellte das Radio an.
    Ohne eine Sekunde zu zögern, antwortete er: »Bei deinem Abschlussball.«
    O Gott.
    Der Abschlussball. Als wir Schluss machten. Als wir im Regen auf dem Parkplatz standen und stritten. Die Erinnerung war mir peinlich. Wie ich geweint hatte, wie ich ihn angebettelt hatte, nicht zu fahren. Nicht gerade eine meiner Sternstunden.
    Ein betretenes Schweigen herrschte zwischen uns, vermutlich erinnerten wir uns beide an dieselben Szenen. Um die Stille zu durchbrechen, sagte ich munter: »Lieber Himmel, das ist ja wirklich Ewigkeiten her, stimmt’s?«
    Dieses Mal antwortete er nicht.
    Er setzte mich vor der Post ab und sagte, er werde mich in ein paar Minuten wieder abholen. Ich sprang aus dem Auto und ging schnell ins Gebäude.
    Die Schlange am Schalter verkürzte sich schnell, und als ich an der Reihe war, fragte ich: »Könnte ich bitte Ihre Hochzeitsmarken sehen?«
    Die Angestellte griff in eine Schublade und reichte mir einen Bogen. Die Marken zeigten Hochzeitsglocken, die mit einer Schleife zusammengebunden waren, auf der das Wort LIEBE stand.
    Ich legte meine Einladungen auf die Ablage und zählte rasch durch. »Ich nehme einen Bogen.«
    Sie sah mich an und zögerte einen Moment, dann fragte sie: »Sind das Hochzeitsanzeigen?«
    Â»Ja«, antwortete ich.
    Â»Wünschen Sie Handentwertung?«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Wünschen Sie Handentwertung?«, wiederholte sie, dieses Mal schon etwas unfreundlicher.
    Ich geriet in Panik. Was sollte das jetzt wieder heißen – Handentwertung? Ich hätte gern Taylor eine SMS geschickt und nachgefragt, doch die Schlange hinter mir wurde immer länger, also sagte ich nur rasch: »Nein, danke.«
    Ich zahlte, ging hinaus und setzte mich auf die Bordsteinkante. Dann klebte ich die Marken auf die Umschläge. Auch an meine Mutter hatte ich einen adressiert – für alle Fälle. Vielleicht änderte sie ihre Meinung ja doch noch. Conrad fuhr vor, als ich die Einladungen gerade in den Briefkasten warf. Es war also wirklich wahr, ich würde tatsächlich heiraten. Jetzt gab es kein Zurück mehr. (Es war auch nicht so, als hätte ich das gewollt.)
    Â»Hast du deinen Bohrer bekommen?«, fragte ich, als ich wieder einstieg.
    Â»Jep«, sagte er. »Und du deine Hochzeitsmarken?«
    Â»Jep«, antwortete ich. »Sag mal, was heißt denn Handentwertung?«
    Â»Die Post stempelt Marken ab, damit man sie nicht noch einmal benutzen kann, das nennt man Entwertung. Handentwertung heißt dann wohl, dass Briefe nicht von Automaten, sondern einzeln von Hand abgestempelt werden.«
    Â»Woher weißt du so was?«, fragte ich beeindruckt.
    Â»Ich hab mal Briefmarken gesammelt.«
    Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen. Conrad hatte Briefmarken gesammelt. Er bewahrte sie in einem Album auf, das sein Vater ihm geschenkt hatte.
    Â»Das hab ich ja total vergessen. O Mann, du hast das so ernst genommen mit diesen Briefmarken, wir durften das Album nicht mal anfassen ohne deine Erlaubnis. Weißt du noch, wie Jeremiah dir mal eine geklaut und auf eine Postkarte geklebt hat? Du hast geheult, so wütend warst du.«
    Â»Na hör mal, das war meine Abraham-Lincoln-Marke, die mein Opa mir geschenkt hatte«, verteidigte sich Conrad. »Eine ganz seltene Marke.«
    Ich lachte, und dann lachte Conrad auch. Es hörte sich gut an. Wie lange war es her, dass wir zuletzt miteinander gelacht hatten?
    Kopfschüttelnd sagte er: »Ich war so ein kleiner Streber.«
    Â»Nein, das warst du nicht!«
    Conrad warf mir einen Blick zu. »Briefmarken sammeln, mit dem Chemiebaukasten experimentieren, wie besessen in der Enzyklopädie lesen.«
    Â»Schon, aber bei dir war das alles irgendwie cool«, sagte ich. In meiner Erinnerung war Conrad kein Streber. Er war einfach älter und schlauer und interessierte sich für erwachsene Themen.
    Â»Du warst ja auch leicht zu beeindrucken«, sagte er. »Als du klein warst, hast du Möhren gehasst. Um nichts in der Welt hättest du sie gegessen. Aber dann habe ich dir erzählt, dass man von Möhren Röntgenaugen bekommt. Und du hast mir geglaubt. Du hast mir alles geglaubt, egal, was ich gesagt habe.«
    Das stimmte. Allerdings.
    Ich hatte ihm das mit den Möhren und den Röntgenaugen geglaubt. Ich hatte ihm geglaubt, als er mir sagte, dass er

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