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Der Sommer, der nur uns gehoerte

Titel: Der Sommer, der nur uns gehoerte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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den Bänderhut vors Gesicht. Von diesem Spiel hatte ich schon gehört. Dafür muss die Brautjungfer alles mitschreiben, was die zukünftige Braut beim Auspacken ihrer Geschenke sagt.
    Â»Oh, ist der hübsch!«, rief Taylor, und die Gäste kicherten.
    Ich versuchte, ihr das Notizbuch wegzuschnappen, aber sie hielt es hoch über meinen Kopf und las: »Jeremiah wird total begeistert sein!«
    Â 
    Nach dem Wettbewerb um das schönste Brautkleid aus Klopapier halfen wir beim Aufräumen. Als alle anderen schon gegangen waren, brachte ich meine Mutter zum Auto.
    Â»Danke, dass du gekommen bist, Mom«, sagte ich verlegen. »Es bedeutet mir sehr viel.«
    Sie strich mir die Haare aus dem Gesicht. »Du bist doch mein Mädchen«, sagte sie nur.
    Ich warf die Arme um sie. »Ich hab dich so, so lieb!«
    Â 
    Sobald ich in meinem Auto saß, rief ich Jeremiah an. »Wir heiraten!«, brüllte ich ins Telefon. Nicht, dass das etwas Neues gewesen wäre, aber trotzdem. Der Streit mit meiner Mutter, die Trennung von zu Hause, die Hochzeitsvorbereitungen, das alles hatte schon eine Wahnsinnsanspannung für mich bedeutet. Aber jetzt, da ich meine Mutter an meiner Seite wusste, hatte ich endlich wieder das Gefühl, frei atmen zu können. All meine Sorgen hatten sich in Luft aufgelöst. Ich fühlte mich wieder wie ein ganzer Mensch. Ich fühlte mich allem gewachsen.
    Â 
    In dieser Nacht schlief ich zu Hause. Steven und Mom und ich sahen eine Sendung auf Crime TV, eine jener Shows, in denen Verbrechen nachgestellt werden. Wir heulten wie die Wölfe, weil die Schauspieler so grottenschlecht waren, wir aßen Chips und die restlichen Zitronenwürfel meiner Mutter. Es war so schön.

41
    Conrad
    Â 
    Â 
    An dem Tag, an dem Belly nach Hause fuhr, ging ich Ernie besuchen, den Inhaber des Fischrestaurants, in dem ich vor Jahren als Tischabräumer gejobbt hatte. Jedes Kind, das je in Cousins gewesen war, kannte Ernie, so wie Ernie jedes Kind kannte. Er vergaß nie ein Gesicht, egal, wie alt er wurde. Schon in meinen Highschool-Zeiten, als ich bei ihm arbeitete, musste Ernie mindestens siebzig gewesen sein. Inzwischen hatte sein Neffe John den Laden übernommen, und der war wirklich ein Arsch. Erst degradierte er Ernie zum Barkeeper, und als er ihn da nicht mehr schnell genug fand, ließ er ihn Besteck in Servietten einrollen. Schließlich hat John Ernie dann ganz aus dem Geschäft und in den Ruhestand gedrängt. Sicher, Ernie war alt, aber er arbeitete viel und war allgemein beliebt. Ich hatte oft vor dem Haus Rauchpausen mit ihm gemacht. Mir war klar gewesen, dass es nicht in Ordnung war, ihn eine Kippe schnorren zu lassen, aber schließlich war er alt, und wer kann einem alten Mann schon etwas abschlagen?
    Ernie lebte in einem kleinen Haus am Rande des Highways, und ich versuchte, ihn wenigstens einmal die Woche zu besuchen. Um ihm Gesellschaft zu leisten, aber auch um mich zu vergewissern, ob er überhaupt noch lebte. Ernie hatte niemanden, der ihn daran erinnerte, seine Medizin zu nehmen, und sein Neffe kam ihn todsicher nicht besuchen. Seit John Ernie aus dem Geschäft gedrängt hatte, sagte Ernie, John und er seien nicht mehr verwandt.
    Daher war ich ziemlich überrascht, Johns Wagen davonfahren zu sehen, als ich in Ernies Straße einbog. Ich parkte vor dem Haus und klopfte einmal, dann trat ich ein.
    Â»Hast du eine Zigarette für mich?«, fragte Ernie von der Couch.
    Das war immer seine Begrüßung. Dabei durfte er gar nicht mehr rauchen. »Nein«, sagte ich, »ich hab aufgehört.«
    Â»Dann mach, dass du rauskommst!«
    Er lachte sein vertrautes Lachen, und ich setzte mich zu ihm auf die Couch. Wir saßen da, ohne zu reden, sahen alte Polizeifilme und aßen Erdnüsse. In den Werbepausen quatschten wir, so wie immer.
    Â»Hast du schon gehört, dass mein Bruder nächstes Wochenende heiratet?«, fragte ich.
    Er schnaubte verächtlich. »Noch bin ich nicht unter der Erde, mein Junge. Klar weiß ich davon. Alle wissen es. Sie ist ein süßes Ding. Hat immer einen Knicks vor mir gemacht, als sie klein war.«
    Ich musste grinsen. »Das kam daher, weil wir ihr erzählt hatten, du seiest ein italienischer Prinz, der dann irgendwann Mafioso geworden sei. Der Pate von Cousins.«
    Â»Aber sicher doch.«
    Der Film ging weiter, und wir sahen in entspanntem Schweigen zu. In der nächsten Pause

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