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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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den Holzweg zu Wind Song trommelten.
    »Dad!«, wollte ich schreien, aber es kam kein Ton heraus, als ich gegen die Terrassenschiebetüren hämmerte. Ich schnappte nach Luft. Seitenstiche brannten wie Feuer, und meine Kehle war wund und geschwollen. »Dad!«, brachte ich krächzend hervor.
    Lichter, Stimmen. Irgendwie schaffte ich es, ihnen etwas zu erzählen, aber nicht genug. Konfusion entstand. Eine Verzögerung. Weitere Lampen gingen an. Jemand holte mir einen Bademantel … Aber wir hatten keine Zeit, und ich konnte nicht schlucken, nicht atmen und nicht richtig sprechen.
    »Er ist am Indigo Beach!«, brachte ich schließlich heraus.
    »Wo ist das?«, hörte ich jemanden fragen. Meine Mutter? Meinen Onkel?
    Ich zwang mich zum Atmen.
    »Helft ihm!«, schrie ich. Und dann war ich zur Tür heraus, rannte wieder über den Sand, rannte in die Dunkelheit, fühlte Luft zwischen meinen Zähnen hindurchpfeifen, in meine Lunge, durch meine trockene, verengte Kehle …
    »Da ist er!«, schluchzte ich, zeigte hinaus in die Dunkelheit und stolperte zur Gezeitenlinie, dort wo meine Regenjacke leuchtete, an der Stelle, wo ich sie zurückgelassen hatte, grell orangefarben wie eine Flagge, und dann sank ich in den Sand.

kapitel sechzehn
    Ich bilde mir gerne ein, dass ich mich tatsächlich an alles genau so erinnere, wie es wirklich passiert ist. Doch ich weiß, dass das nicht stimmt. Alles, was später in dieser Nacht geschah, weiß ich hauptsächlich aus Erzählungen. Aber ich erinnere mich noch an den Sonnenaufgang und an das Lichtmuster bei der nächtlichen Suche, als die Küstenwache auf dem Wasser hin- und herkreuzte. Und an den Horizont. Ich sagte mir, wenn ich es schaffen würde, den Horizont anzustarren ohne zu blinzeln, bis die Sonne aufgegangen wäre, würde Simon gefunden werden.
    Ich muss mir noch andere Dinge gesagt haben. Später kamen mir Ausschnitte und Einzelheiten in den Sinn, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Seltsame Bilder, die mit den Versprechen kollidierten, die ich Gott und dem Universum gegeben hatte, obwohl ich nicht an Gott glaubte und das Universum nicht auf die Gebete eines Mädchens hörte: Wenn wir ihn finden, werde ich nie wieder … Wenn wir ihn finden, verspreche ich …
    Manche Erinnerungen sind deutlich wie Fotografien oder Szenen aus einem Film: Jemand telefoniert mit einem Handy, Simons Eltern treffen ein. Das Gesicht seines Vaters ist aschfahl, seine grauen Augen wild und verängstigt.
    Was ist hier los? Wo ist mein Sohn?
    George, vielleicht ist ihm gar nichts passiert. In der Nähe ist eine Boje, und wir glauben, dass ihn die Flut möglicherweise …
    Mein Vater und mein Onkel halfen offenbar bei der Suche und fuhren mit einem Motorboot raus. Das weiß ich aber nicht mehr. Ich weiß auch nicht mehr, wer bei mir war, jedenfalls nicht während der ganzen Nacht. Ich erinnere mich nur an verschwommene Gesichter, undeutliche Stimmen und daran, dass ich in eine Decke gewickelt dastand. Und an das konstante Rauschen der See. Aber es klang kein Frieden darin. Es klang hohl. Erbarmungslos.
    Sie werden ihn finden. Ich weiß, dass ich mir das immer und immer wieder sagte, obwohl ich nicht daran glaubte. Doch dann nahm mich Corinne fest an der Hand, und in diesem Moment ging die Sonne auf. Der Sand färbte sich rosafarben. Es war so schön, dass ich in dem Moment an Rettung glaubte. Ich glaube, das taten wir alle.

    Tatsächlich fanden sie ihn. Seine Leiche wurde eine halbe Meile weiter abwärts an den Strand gespült. Wir standen immer noch am Indigo Beach, als die Nachricht kam. Simons Vater brach in lautes, abgehacktes Schluchzen aus, und seine Knie gaben nach. Seine Frau musste ihn stützen. Ich werde diesen Anblick nie vergessen. Er traf mich zutiefst. Bis heute sehe ich Mr Ross deutlich vor mir: in einem gelben Pullover und einem karierten Schlafanzug, die Augen gerötet und wie tot.
    Danach kann ich mich an nichts mehr erinnern. Offenbar geriet ich in einen Schockzustand oder erwachte aus einem, denn ich wurde hysterisch, so dass ein Arzt gerufen werden musste. Er gab mir eine Spritze, damit ich aufhörte zu schreien.
    In den darauffolgenden Tagen versicherten mir meine Eltern, es sei nicht meine Schuld, dass Simon ertrunken sei. Simons Eltern versicherten mir, es sei nicht meine Schuld, dass Simon ertrunken sei. Der Sturm hatte eine ungewöhnlich starke Riptide mit sich gebracht. Es sei ein Unfall gewesen, so sagten sie.
    Nicht deine Schuld. Die Worte klangen wahr, klangen

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