Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
geblieben. Inmitten eines Sturms.
Der Moment ging vorüber. Die Blitze verebbten. Wir standen in der stillen Schwärze. Die Show war vorbei. Meine Augen brannten vor Salz.
»Wow!«, lachte ich, als im flachen Wasser eine kleine Welle gegen uns schlug. »Ich gehe raus.«
»Ich möchte mich noch von einer Welle an den Strand tragen lassen.«
»Die Brandung ist stark«, warnte ich.
»Stimmt«, sagte Simon und schlurfte durch den starken Sog der Wellen zu mir hin. »Keine Angst«, sagte er, zog mich an sich und gab mir einen salzigen Kuss. »Ich gehe nicht zu weit.«
»Bitte geh nicht«, flehte ich. »Das wäre wirklich verrückt!«
»Ich bin nicht verrückt.« Simon küsste mich auf die Nasenspitze.
»Beinahe hättest du mich überzeugt.« Ich neigte den Kopf zurück, damit er weitermachte.
»Ich bin nicht verrückt.« Wieder küsste mich Simon auf die Nase. »Aber auf einer Welle ans Ufer zu reiten, kann ich mir nicht entgehen lassen. Von da aus.« Er zeigte auf eine flache Stelle unmittelbar vor uns. Das Wasser wirbelte dort an einem Miniriff entlang, direkt vor einer Unterwassersandbank. Die Wellen, die sich dort brachen, waren nicht riesig, aber groß genug, um einen bis ganz an den Strand zu tragen.
Ich stakste an der Stelle hinaus, an der wir unsere Kleider zurückgelassen hatten. Nachdem ich die feuchte Unterwäsche angezogen hatte, erkannte ich, dass ich die anderen durchnässten Sachen besser wegließe und nur in Unterwäsche und Regenjacke nach Hause ginge. Unwillkürlich musste ich lächeln. Vor nur einem Monat wäre es mir nicht im Traum eingefallen, halbnackt nach Hause zu gehen, nicht mal mitten in der Nacht.
Ich wrang meine nassen Haare aus. Meine Haut fühlte sich gummiartig an, geschrubbt von Salz und Wasser. Der Sand juckte mir auf dem Kopf. Ob ich zu Hause schnell noch duschen konnte, ohne gleich alle aufzuwecken?
Ich wünschte, Simon würde sich beeilen. Ich spähte hinaus aufs schwarze Meer. Er hätte inzwischen längst herauskommen müssen. Angst flackerte in mir auf, aber ich unterdrückte sie. Simon hatte kein Gefühl dafür, wann es Zeit war, aufzuhören. Wahrscheinlich musste ich ihn aus dem Wasser herauszerren … Ich ließ meine Regenjacke fallen und griff nach der Taschenlampe.
»Simon!«, rief ich, stellte mich nahe an die Wasserkante und suchte in der Dunkelheit nach ihm. »Hallo?«
Ein gedämpfter Ruf war die Antwort, und ich richtete den Lichtstrahl dorthin, woher seine Stimme gekommen war. Ich lächelte, als er winkte und sich unter Wasser duckte. Ungeduldig wippte ich mit einem Fuß und hielt den Strahl auf Simons dunklen Kopf gerichtet, als er auf den Strand zuschwamm.
Doch nachdem eine ganze Minute vergangen war, erkannte ich, dass er nicht näher kam. Er schien sich eher zu entfernen. »Simon!«, schrie ich. »Komm schon!«
Und da hörte ich ihn, hörte das Wort, das er gerufen hatte, undeutlich über das Rauschen der Wellen hinweg. »Hilfe!«
Mein Körper erstarrte zu Eis. Das Blut pochte mir in den Ohren, und ich musste meine zitternde Hand gewaltsam ruhig halten, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
Und dann lächelte ich. Dünn. Simons Humor. Ein typischer Simon-Streich. Einmal hatte er sich unter Wasser versteckt und sich dann wie ein Hai auf mich gestürzt. An einem anderen Abend hatte er sich heimlich aus dem Wasser geschlichen, nur um mich zu erschrecken. Ich verschränkte die Arme. Keine Nacht war dazu geeignet, den Ertrinkenden zu spielen, aber besonders nicht diese Nacht, wo die Flut durch den Regen so hoch angestiegen war.
Doch Simon befand sich an einer flachen Stelle, zu flach, um so zu tun, als würde er ertrinken.
»Komm raus!«, rief ich, als Simons Oberkörper über Wasser erschien und er mir mit beiden Armen zuwinkte. Dieser Streich war nicht besonders komisch. Ich biss die Zähne zusammen. Ich wollte nicht auf ihn reinfallen. Immer war ich auf seine Scherze reingefallen. Aber diesmal würde ich ihm den Spaß nicht gönnen. Ungeduldig winkte ich ihn zu mir hin. Er schien rückwärts abzutreiben. Offenbar war er noch nicht bereit, seinen Spaß aufzugeben. Diesmal würde er was zu hören bekommen …
Er ging unter.
Eine Kälte beschlich mich, die sich von der Mitte meiner Brust in alle Glieder ausbreitete. Erkenntnis. Instinkt. Irgendwie wusste ich, dass Simon nicht scherzte. Irgendetwas stimmte nicht.
»Simon!«, schrie ich und schwenkte die Taschenlampe auf und ab. Nichts. Nur das grüne Meerwasser. Eine Regengardine erschien im Schein
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