Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Ferien sich so entwickelt haben. Ich hätte mir so gewünscht, dass ihr Mädchen wieder einmal einen schönen Sommer zusammen verbringt. Bestimmt leidest du unter der Situation.«
»Schon okay«, entgegnete ich und drückte die Hand meiner Tante. Wie selbstlos sie war! Auch wenn sie besorgt oder unglücklich war, dachte sie stets an die Menschen in ihrer Umgebung und fand einen Weg, sie glücklicher zu machen, indem sie einfach bei ihnen war. In dieser Hinsicht glich sie Corinne, wie sie früher war. Sie hatte immer alles überstrahlt, egal, was sie umgab.
»Was ist denn das?« Meine Tante riss mich aus meinen Gedanken, hielt die Hand schützend über die Augen und zeigte auf etwas, das vor uns lag. Seetang und Muscheln, zu irgendeiner Figur ausgelegt. Auf dem glatten, frisch gewaschenen Sand gingen wir näher heran: ein Riesenherz aus Seetang. In der Mitte stand aus Muscheln und Schneckenhäusern ein »M« geschrieben.
Ich lief puterrot an, als ich hinunter auf den Sand blickte.
»Mal sehen …« Meine Tante grinste schelmisch. »Es liegt in der Nähe unseres Hauses, also muss es jemandem von uns gelten. Also, wessen Name beginnt mit einem M?« Meine Tante stieß mich mit dem Ellbogen in die Rippen. »Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass dein Vater das für Maxine getan hat.«
Ich lachte bei der Vorstellung, dass sich meine Eltern wie Turteltäubchen verhielten. Das war nicht ihre Art.
»Raus mit der Sprache, Mimi!« Kathleen zeigte auf das Herz aus Muscheln und Seetang. Ihr Diamantring funkelte in der Sonne. »Von wem stammt dieses Kunstwerk, und wie würde ich denjenigen finden?«
Hätte meine Mutter mich gefragt, wäre mir das äußerst peinlich gewesen. Ich bezweifelte, dass sie Simon akzeptabler finden würde als Jake. Außerdem konnten meine Mutter und ich einfach nicht locker über das Thema Liebe reden.
Doch meiner Tante konnte ich mich anvertrauen, sie würde dieses verrückte Kribbeln in meinem Bauch verstehen. Besser als ich sogar. Denn Kathleen war eine romantische, aufregende, leidenschaftliche Frau. Das sah man ihr schon an. Und ich hatte von klein auf erlebt, wie sie und mein Onkel in all den Jahren miteinander umgegangen waren.
Sie waren die Art Eltern, die bis heute bei Strandspaziergängen Hand in Hand gingen. Eltern, die in der Küche zu Barry-White-Songs tanzten, egal, ob ihre Kinder das peinlich fanden. So hatte ich sie immer erlebt, diese Gesten waren mir immer an ihnen aufgefallen. Vielleicht, weil meine Eltern ihnen so unähnlich waren.
»Na, wer ist es?«, bohrte meine Tante, und als ich an Simon dachte, hüpfte und flatterte mein Magen, als hätte ich einen Goldfisch verschluckt.
Ein leichtes Lächeln zupfte an meine Mundwinkeln, als ich mir vorstellte, wie er in den frühen Morgenstunden auf der Suche nach Muscheln und Seetang umhergewandert war. Nur Simon konnte auf solche Ideen kommen.
»Er heißt Simon«, sagte ich, mein Gesicht immer noch so rot wie ein Kirmesapfel. »Seine Eltern haben das Haus neben eurem gemietet.«
»Wirklich?«
Ich warf meiner Tante einen kurzen Seitenblick zu und fragte mich, ob sie daran dachte, wie geschmacklos das Sommerhaus von Simons Familie war, und ob sie sich daraufhin eine Meinung über Simon bilden würde. Doch dann lächelte sie mich liebevoll an. Ich wusste, ich hatte mir umsonst Sorgen gemacht. Meine Tante war nicht seicht, und sie war kein Snob. Trotz ihres Wohlstands und aufwändigen Lebensstils blickte sie auf niemanden herab.
»Der Nachbarsjunge.« Kathleens Augen glänzten, als sie mir eine Haarsträhne hinters Ohr strich. »Liebst du ihn?«
Liebe. Das Wort ängstigte mich. Ich hatte schon einmal geglaubt, verstanden zu haben, was sie bedeutete. Weil ich dachte, ich besäße sie. Doch es war genau so wie damals als Kind, als ich geglaubt hatte, einen Schmetterling gefangen zu haben. Ich war so aufgeregt! Ich rannte zu meiner Mutter, um ihn ihr zu zeigen. Doch als ich meine Hände öffnete, war nichts darin. »Wie kann man sich sicher sein?«, fragte ich Tante Kathleen. »Woher weiß man, dass es wahre Liebe ist?«
Meine Tante lächelte. Sie sah plötzlich müde aus. Alt. »Das weiß man nie so genau, Schätzchen. Und man weiß auch nie, ob sie halten wird. In der Liebe gibt es keine Sicherheit.« Sie drückte mich kurz an sich, und wir fielen in Gleichschritt. Der weiche, nasse Sand knirschte unter unseren Füßen. »Alles, worauf du bauen kannst, ist dein momentanes Gefühl. Es ist eine wunderschöne, wertvolle
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