Der Sommer der Toten
nichts gegen Sie vor“, erklärte er. „Herr Holzacher wollte Sie nur ins Bockshorn jagen, um ein Geständnis aus Ihnen herauszupressen.“
„Das ging wohl schief“, brummte Bianca.
„Macht die beiden los“, sagte der Wortführer an seine Kollegen gewandt.
Während die Polizisten nach den Schlüsseln kramten, um die Handschellen wieder aufzuschließen, richtete der Polizist das Wort wieder an Bianca.
„Versprechen Sie uns aber bitte, dass Sie keinen weiteren Ärger mehr machen. Sonst müssten wir Sie nämlich wirklich einlochen. Ich könnte wetten, dass Sie nur äußerlich so ruhig sind.“
„Stimmt!“, wetterte Bianca drauflos. „Wer zum Teufel bezahlt mir jetzt meine eingesauten Klamotten, weil ihr Einzeller mich zu Boden geworfen habt? Und was ist mit dem fast ausgerenkten Arm.“
„Soweit ich mich erinnere“, sagte der Wortführer, mit einem Male breit grinsend, zu Bianca, „ist das passiert, als Sie ausgerutscht sind und dabei auch noch den unglücksseligen Herrn Holzacher mitten in die Familienjuwelen getroffen haben. Wenn wir Sie nicht festgehalten hätten, hätten Sie sich womöglich noch verletzt. So hat es eben nur einen von uns erwischt. Berufsrisiko für ihn und, so wie es aussieht, drei Wochen himmlische Ruhe für uns.“
Bianca spürte, wie ihre Hände wieder frei waren. Sie ließ die Arme kreisen und rieb sich die Handgelenke. Auch Anna war, wie sie erkennen konnte, wieder frei.
„Ich schlage vor, Sie verschwinden jetzt, bevor Holzacher doch noch einen Befehl von sich geben kann, der Ihnen wahrscheinlich nicht mehr gefällt“, sagte der Wortführer abschließend.
Die beiden Frauen mussten gar nicht mehr lange überredet werden. Sie verabschiedeten sich mit einem kurzen Nicken.
Anna ging zu ihrem Wagen und öffnete die Zentralverriegelung. Während Bianca einstieg, hantierte Anna noch mal kurz im Kofferraum herum. Bianca, die sie nicht dabei beobachtete, sondern vielmehr auf die Polizisten konzentriert war, die feixend auf dem Parkplatz standen (wahrscheinlich machten sie sich gerade darüber lustig, wie Bianca Holzacher in die Eier getreten hatte), zuckte unwillkürlich zusammen, als die Kofferraumklappe plötzlich unbotmäßig heftig zugeschlagen wurde.
Wenig später setzte sich Anna leichenblass ans Steuer und fuhr ohne Umschweife los – nicht, ohne den Wagen vorher beim Anfahren zwei Mal abzuwürgen.
Bianca sah sie beunruhigt an. Doch Anna sagte nichts und starrte beim Fahren starr durch die Windschutzscheibe. Als sie den Krankenhausparkplatz verließ, nahm sie einem anderen Wagen die Vorfahrt, was mit anhaltendem Hupen quittiert wurde. Außerdem ließ sie den Motor eine ganze Zeit lang regelrecht aufbrüllen, ehe sie auf die Idee kam, mal in den zweiten und dann in den dritten Gang zu schalten.
„Hey!“, rief Bianca schließlich. „Was ist denn los?“
„Wie gut, dass du dem Bullen in die Eier getreten hast“, erklärte Anna gepresst. „Sonst hätten wir jetzt womöglich ein Problem.“
„Kannst du mir mal sagen, wovon du zum Teufel sprichst?“
„Von den fehlenden Köpfen der Rocker“, erwiderte Anna knapp. „Die liegen bei mir im Kofferraum.“
15.
„Kommen Sie denen nur nicht zu nahe“, warnte Klaus einen Polizisten, der sichtlich mit sich kämpfte, ob er den untoten Bewohnern nun aufhelfen sollte oder nicht. „Ich kann Ihnen schon so einige Knochenbrüche präsentieren, die diese Jungs und Mädels hier angerichtet haben.“
„Bitte etwas mehr Respekt vor den Toten!“, empörte sich Frau Seibert.
„Gerne“, setzte Klaus trocken zurück. „Sobald die etwas mehr Respekt vor den Lebenden haben.“
Frau Seibert gab ein verächtliches Schnauben von sich, enthielt sich aber weiterer Kommentare.
Der Polizist indessen war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass er keinem der Zombies eine helfende Hand reichen würde.
Alle Anwesenden hatten sich mittlerweile in eine neutrale Ecke verkrochen. Genaugenommen handelte es sich um die Ecke zwischen Fensterfront und Durchgangstür zur Küche. Falls die Zombies handgreiflich werden sollten, konnten sie sich auf diese Weise rasch verkrümeln.
Das war zwar in dieser Form nicht bewusst geplant, aber auch beim Menschen funktionieren in bestimmten Situationen die Urinstinkte noch ganz gut.
Wortlos und gebannt beobachteten sie das makabre Schauspiel. Alle verstorbenen Bewohner erwachten so nach und nach zu ihrem untoten Leben. Ungeachtet ihrer Gebrechen zu Lebzeiten rafften sie sich auf und staksten steif und
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