Der Sommer der Toten
die relevant sind“, sagte sie. „Sonst sitzen wir noch in zwei Wochen hier. Spannend von den fünf Kindern ist Josef Nussinger. Er wurde 1531 geboren und starb 1588. Er hatte drei Kinder. Sein ältester Sohn hörte auf den Namen Paul. Geboren 1550, gestorben 1612. Der gute Mann war hyperaktiv, produzierte vierzehn Kinder, das letzte 1610. Dieses Nesthäkchen führt die Linie weiter. Es war wieder ein Junge. Er hieß Rafael Nussinger, wurde 1640 geboren und starb 1703. Sein einziger Sohn Jeremias kam 1664 auf die Welt und segnete 1740 das Zeitliche. Von seinen Kindern war der 1701 geborene Hans relevant. Er brachte 1730 einen Sohn namens Peter auf die Welt, der wiederum 1776 einen Jungen namens Johannes schuf. Ganz nach dem Vorbild des Urahnen sozusagen. 1806 ergänzt sich unsere Linie mit Gabriel Nussinger, 1841 folgte Friedrich Nussinger als Nachfolger. Dieser gebar nur eine Tochter. Edith Nussinger wurde 1880 geboren und heiratete 1904 einen Apotheker.“ Anna blätterte um und deutete auf den Namen sowie auf dem Auszug des Standesamtregisters. „Sein Name war Valentin Wallmann. Willkommen daheim, Mädchen.“
Bianca trank den Cognac in einem Zug aus.
6.
„Ich kann es nicht glauben!“ Bianca hatte sich nur ansatzweise von ihrem Schock erholt. Sie zitterte wie Espenlaub. „Bist du dir wirklich sicher, dass du dich nicht geirrt hast?“
„Nicht die Bohne. Du bist ein Nachkomme unseres Wanderers. Ob du willst oder nicht.“
„Aber wenn sich der Kerl auf seinen Reisen kreuz und quer durch die Dörfer gebumst hat, wer sagt dann, dass es nicht noch mehr Nachkommen gibt?“
„Sei nicht so naiv“, sagte Anna belustigt. „Was glaubst du, was damals mit unehelichen Kindern passiert ist? Die wurden entweder gleich nach der Geburt im Güllefass ertränkt oder im Wald ausgesetzt. Die Leute waren damals nicht so zimperlich.“
„Das ... das kann aber nicht sein ... Ich meine ... Das ist doch völlig abwegig ...“
„Was ist abwegig und was nicht? Sind Leichen, die nach dreißig Jahren immer noch taufrisch aussehen, nicht auch abwegig? Und was ist mit Stigmata? Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Mensch nach sage und schreibe fünf Tagen dennoch lebendig begraben werden konnte?“
„Ich glaube es einfach nicht!“ Biancas Stimme bekam einen leicht hysterischen Unterton.
„Wieso bist du ausgerechnet in meine Pension gekommen? Mein Laden ist nicht der billigste und auch nicht der beste.“
„Aber dein Laden war der einzige mit einer eigenen Homepage im Internet.“
Anna starrte sie an.
„Was ist?“, fragte Bianca beunruhigt.
„Wiederhol das noch mal.“
„Ich habe dich über deine Homepage im Internet ausfindig gemacht.“
„Mädchen ...“ Anna kicherte nervös. „Ich weiß ja noch nicht einmal, wie man einen Computer einschaltet. Ich habe keine Homepage.“
„Du machst Witze.“
„Sehe ich so aus, als würde ich mich totlachen?“
„Ich bin damals ins Internet gegangen und habe mich nach einem netten abgeschiedenen Ort umgesehen. Dort, wo ich wirklich in Ruhe Urlaub machen kann. Ich bin auf Berghausen gestoßen und dann habe ich in der Suchmaschine nach Pensionen gesucht. Deine Pension wurde als einzige angezeigt.“
„Dabei ist meine Pension die einzige ohne eigene Homepage“, antwortete Anna perplex.
„Bitte lach dich jetzt doch tot. Es würde mich beruhigen.“
„Fehlanzeige, Mädchen“, sagte Anna tonlos. „Ich glaube, wir haben einen stressigen Sommer vor uns.“
„Seit wann hast du das mit der Ahnenlinie gewusst?“, fragte Bianca.
„Ich wusste es eigentlich schon, bevor du zum ersten Mal hierher gekommen bist. Ich erinnere mich noch genau daran, als du zum ersten Mal ein Zimmer reserviert hast. Mir wäre vor Schreck fast der Hörer aus der Hand gefallen.“
„Damals warst du nicht gerade nett zu mir.“
„Ich hatte Angst“, gab Anna zu. „Ich wollte dich rausekeln. Als du hier regelmäßig aufgetaucht bist, wurde das mit meinen Handflächen von Jahr zu Jahr schlimmer. Ich war ehrlich gesagt ziemlich überrascht, als du in dem darauffolgenden Jahr wieder hier aufgetaucht bist.“
„Es hat mir hier gefallen. Auch wenn du den Charme einer offenen Mülltonne an den Tag gelegt hast. Außerdem waren alle anderen Hotels ausgebucht.“
„Ich erinnere mich. Komischerweise aber nur an dem Tag deiner Anreise. Ich habe mit Pfarrer Schuster drüber gesprochen. Er hat mir geraten, dich gnädig zu stimmen und dir deine Aufenthalte besonders angenehm zu
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