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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Derbort
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warum ich Ihnen vorher noch nichts gesagt habe?“
    „Voll und ganz“, murrte der Kommissar. „Sie hätten trotzdem nicht so aggressiv sein müssen. Wie viele von diesen Gesellen laufen denn noch frei herum?“
    „Schwer zu sagen“, antwortete Bianca. „Einer von denen hat sich gestern selbst aus dem Verkehr gezogen und drei weitere Kandidaten haben wir noch. Wahrscheinlich werden es noch mehr. Aber wir können jetzt unmöglich den ganzen Friedhof umgraben, nur um zu sehen, ob die Leichen alle ordnungsgemäß verwest sind.“
    „Stopp!“, rief Kellermann stöhnend. „Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich hören will, was Sie mir zu erzählen haben. Aber wenn, dann bringen Sie es mir bitte schonend bei und werfen Sie mich nicht ständig ins kalte Wasser.“
    „Keine Angst“, beruhigte Bianca. „Sie werden nachher alles erfahren. Aber ich muss Sie warnen. Erstens ist es eine sehr lange Geschichte und zweitens sind die lebenden Leichen noch der glaubwürdigere Teil.“
    „Will ich es wissen?“
    „Nein.“
    „Und warum muss ich es dann erfahren?“
    „Das wollen Sie genauso wenig wissen“, entgegnete Bianca seufzend. „Wenn wir Pech haben, dann wird es demnächst sehr viele Tote geben, um die Sie sich kümmern müssen. Und ich bin schon mal froh, wenn ich wenigstens einen Polizisten habe, der mir dann auch glaubt, wenn ich sage, wie die Leute ums Leben gekommen sind.“
    „So langsam wünsche ich mir, ich hätte Sie nie in meinem Leben zu Gesicht bekommen.“
    „Ich habe Ihnen versprochen, dass ich artig sein werde“, sagte Bianca düster. „Aber glauben Sie mir: Selbst wenn nicht, bin ich Ihr kleinstes Problem.“
    „Solange die Kollegen nicht da sind, sagen Sie mir doch mal bitte, was hier eigentlich los ist“, bat Kellermann verzweifelt.
    „Okay“, erklärte Bianca. „Nur ein paar Fakten. Erstens: Wir haben Leichen, die nicht verwesen. Zweitens: Einige Leichen stehen auf und wandern umher, andere wiederum nicht. Wo da die Zusammenhänge bestehen, weiß ich beim besten Willen nicht. Drittens: Das Ganze scheint mit einer völlig anderen Geschichte zusammenzuhängen. Wenn Sie dahinter steigen möchten, müssen Sie allerdings erst einen Mordfall aufklären, der fünfhundert Jahre zurück liegt. Alles klar?“
    „Klar?“ Die Stimme des Kommissars kippte fast über. „Klar ist gar nichts.“
    „Dachte ich mir.“
    11.
Anna registrierte überrascht, dass Werner ihr wirklich ohne Probleme folgte. Sie kamen wegen der sehr ungelenken Gangart von Werner nicht sonderlich schnell voran, aber dennoch erreichten sie Annas Auto ohne besondere Zwischenfälle.
    Lediglich Annas Ungeduld wuchs zusehends, als sie das Gefühl bekam, sie würden sich dem Wagen niemals nähern.
    Schließlich am Wagen angekommen stand Anna vor dem nächsten Dilemma. Sie konnte Werner unmöglich auf dem Beifahrersitz Platz nehmen lassen. Jeder, der Werner dort sitzen sah, würde auf der Stelle misstrauisch werden. Als wäre der unnatürlich verrenkte Kopf nicht schon genug, würde letztlich die Tatsache, dass Werners Leichnam nackt war, Aufsehen erregen.
    Ob sie wollte oder nicht – sie musste wohl oder übel die Leiche in dem blickdichten Kastenaufsatz des Wagens transportieren.
    Der Gedanke gefiel ihr gar nicht. Sie hatte Werner als Mensch geachtet und wollte daran auch nach seinem Tod nicht viel ändern. Auch wenn die irreale Situation schon so einiges auf den Kopf gestellt hatte.
    Auch wenn Werner keinerlei Reaktionen in seiner Mimik offenbarte, schien er bislang doch sehr wohl verstanden zu haben, was Bianca zu ihm sagte. Anna hoffte, er würde auch auf sie hören.
    „Werner“, sagte sie. „es tut mir ja selbst leid, aber ich kann dich unmöglich auf dem Beifahrersitz mitnehmen. Das würde früher oder später jemandem auffallen und das würde nur Ärger geben ...“
    Sie hielt überrascht inne. Der Tote setzte sich wieder wankend in Bewegung und ging zur Hecktür des Kastenaufsatzes. Dort verharrte er wartend.
    Anna starrte ihn kurz überrascht an und folgte ihm schließlich zum Heck. Sie schloss die Klappe auf und beobachtete mit gemischten Gefühlen, wie Werner ungelenk in die Ladefläche kletterte.
    Sie wartete, bis sich der lebende Tote mit einem dumpfen Laut auf den Boden plumpsen ließ.
    „Danke, Werner“, sagte sie.
    Werners tote Augen starrten auf einen imaginären Punkt irgendwo im Inneren der Ladefläche. Anna zögerte – wahrscheinlich in der Hoffnung, sie würde von Werner ein Zeichen bekommen. Dann

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