Der Sommer der Toten
Einschätzung diese Stufen nicht wesentlich höher als eine Bordsteinkante und auf diesem Teil des Weges folgte niemals mehr als eine Stufe auf einmal. Erst nach der nächsten Kehre würde es kritischer werden.
Sie wischte ihre feuchten Hände trocken und gab etwas beherzter Gas. Der Wagen überwand die erste Stufe ohne Probleme. Auch die zweite Stufe ging leicht. Als sie die vierte Stufe überwinden wollte, merkte sie, dass sie sich verrechnet hatte. Die Distanz zwischen der dritten und vierten Stufe war kürzer als der Abstand zwischen Hinter- und Vorderräder. Die sehr eng aufeinanderfolgenden kleinen Hüpfer, als der Wagen diese Stufen überwand, sorgten trotz der geringen Geschwindigkeit um ein Haar dafür, dass sie die Kontrolle über den Wagen verlor. Der Peugeot machte einen unerfreulich großen Hüpfer und knallte etwas vehementer gegen die Sandsteinmauer.
Anna ächzte und bremste ab.
Sie atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Danach ließ sie den Wagen wenige Zentimeter nach vorne rollen, lenkte scharf gegen und bugsierte das Fahrzeug unendlich langsam von der Sandsteinmauer weg. Es dauerte lange, bis sie den Kurs wieder korrigiert hatte. Danach steuerte sie den Wagen noch bis zur nächsten Kehre, zog die Handbremse an und schaltete den Motor ab.
Sie atmete tief durch. Nach der nächsten Kehre würden nur noch Treppen folgen und diese konnte sie mit dem Auto garantiert nicht mehr bezwingen. Es waren etwa fünfzig Stufen, die Werner nun zu Fuß zurücklegen musste. Befriedigt erkannte sie, dass sie mehr als nur das untere Drittel des Weges geschafft hatte. Irgendwie würde Werner den Rest noch schaffen.
Sie hörte, wie die Heckklappe des Wagens geöffnet wurde. Im Außenspiegel erkannte sie, dass es Pfarrer Schuster war, der Werner aus der Ladefläche befreite. Sie würde wohl den Wagen zur Sicherheit erst einmal mit Desinfektionsspray bearbeiten, ehe sie wieder darin Lebensmittel für den Restaurantbetrieb transportierte.
Anna hörte scharrende Geräusche, die darauf schließen ließen, dass Werner die Ladefläche verließ. Nach einiger Zeit, die Anna wie eine halbe Ewigkeit vorkam, wurde die Heckklappe mit einem gedämpften Knall geschlossen. Eine Hand schlug zwei Mal kurz hintereinander gegen die Karosserie, um ihr zu signalisieren, dass sie wieder abfahren könne.
Anna startete seufzend den Motor und ließ den Wagen langsam wieder hinunterrollen.
Entgegen ihrer Erwartung war der Rückweg keineswegs leichter zu bewältigen. Sie musste höllisch aufpassen, dass der Wagen auf dem staubigen Kopfsteinpflaster nicht zu weit nach vorn rutschte, wenn er von einer Treppenstufe hüpfte. Sie hatte nur sehr wenig Spielraum für das unkontrollierte Schlingern ihres Autos. Nur wenige Zentimeter zu weit nach links und sie wäre schneller unten gewesen, als ihr lieb war.
Als sie die Stufen hinter sich gelassen hatte, ging es dann schließlich doch etwas leichter. Lediglich die letzte zu bewältigende Kehre schien sich gegen sie verschworen zu haben. Der Wagen schien einfach nicht mehr in die Kurve hinein zu passen.
Verzweifelt schlug sie den Lenker scharf nach rechts und ließ den Peugeot mit hässlichem Kreischen an der Mauer entlang schleifen, während sie sich zentimeterweise um die Kurve kämpfte.
Endlich hatte sie das letzte gerade Teilstück erreicht. Sie ließ den Wagen langsam hinunterrollen und unten stellte sie ihn auf dem Parkplatz ab.
Sie stieg aus und warf einen kurzen Blick auf die Beifahrerseite. Die Karosserie war jetzt noch mehr verschrammt und der hintere Kotflügel wies eine unschöne Beule auf. Das war ihr ziemlich egal. In drei bis vier Monaten auf dem Schrottplatz war diese Beule das kleinste Problem von der Karre.
Sie machte auf dem Absatz kehrt und legte den Weg zur Kirche nun zu Fuß zurück. Obwohl sie sich noch nicht einmal sonderlich beeilte, holte sie den Pfarrer und Werner noch auf dem obersten Treppenabsatz vor dem Friedhof ein.
Das Treppensteigen musste doch eine sehr zeitintensive Angelegenheit gewesen sein. Pfarrer Schuster blickte sie in einer Mischung aus Verzweiflung und Ungeduld an, während Werner überaus träge die letzte Stufe erklomm.
Auf dem ebenen Weg ging es wieder etwas schneller. Der Pfarrer ging vor und geleitete Werner und Anna in das Pfarrhaus, das sie dank Werners ungelenker Gangart nach nervtötend langer Zeit betraten.
Schlussendlich schloss der Pfarrer erleichtert seufzend die Haustür.
Wortlos geleitete er die beiden in das Wohnzimmer. Dort
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