Der Sommer der Toten
dann so bald wie möglich nach.“
„In Ordnung“, sagte Bianca und wandte sich an die Haushälterin des Pfarrers. „Möchten Sie auch in zwanzig Minuten mit dazustoßen, Irmhild?“
Entgegen Biancas Erwartungen bedachte Irmhild sie nicht mit einem giftigen Blick, sondern eher mit Dankbarkeit. Innerlich war Bianca etwas erleichtert. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, dass auch Anna zufrieden lächelte.
Irmhild wischte sich eine Träne aus dem Auge und nickte stumm.
„Also dann, bis in zwanzig Minuten“, rief Bianca, aber ihre Fröhlichkeit wirkte auch in ihren Ohren gekünstelt.
Bianca ging auf ihr Zimmer, holte Klaus ab und ging mit ihm wieder hinunter, sofort nachdem sie sich nach seinem Befinden erkundigt hatte. Irmhild saß bereits auf einem Stuhl am Tisch neben dem Kommissar und weinte. Kommissar Kellermann versuchte zwar, sie zu trösten, stellte sich dabei allerdings recht unbeholfen an.
Anna kam wenig später mit einem riesigen Tablett voller belegter Brote zurück, nahm noch Getränkebestellungen auf, setzte sich anschließend mit dazu.
So richtig mochte die Diskussion nicht in Gang kommen. Zunächst entschloss sich auch Kommissar Kellermann dazu, die Nacht in Berghausen zu verbringen, und ließ sich ebenfalls von Anna ein Zimmer geben. Dann versuchten die Anwesenden Irmhild zu trösten. Sie war diejenige, die an der Situation am meisten litt. Und als sie Irmhild so weit hatten, dass sie sich einigermaßen gefangen hatte – es war bereits weit nach Mitternacht – brannte das Pfarrhaus bis auf die Grundmauern nieder.
Kapitel 4
Zwischenfälle
1.
„Heilige Scheiße!“, fluchte Klaus, als sie sich durch die Trümmer des Pfarrhauses wühlten.
Sie mussten bis lange nach dem Morgengrauen warten, bis die Brandexperten der Feuerwehr endlich abgezogen waren. Erst danach konnten sie sich die Ruine vornehmen.
Anna hatte zuvor nur mäßig interessiert aus dem Fenster geblickt, als in der Nacht die ersten Feuerwehrfahrzeuge mit lautem Martinshorn an ihrer Pension vorbeigefahren waren. Als sie jedoch den rötlichen Lichtschein am Gipfel des Hexenhügels gewahrte, war sie wie von einer Tarantel gestochen aufgesprungen und zur Tür geeilt. Als sie den anderen schließlich ein hastiges Zeichen gab, ihr zu folgen und diese es auch taten, sahen alle, dass es das Pfarrhaus war, das bereits lichterloh in Flammen stand.
Die Feuerwehr hatte alle Hände voll zu tun, um zunächst mal Löschschläuche nach oben zu legen. Ehe sie in der Lage waren, das Pfarrhaus zu löschen, war es bereits weitgehend zerstört und auch das Beinhaus brannte. Nur im letzten Augenblick gelang es den Feuerwehrmännern, die Kirche zu retten.
Bianca atmete innerlich auf, als sie feststellte, dass das Feuer nicht mehr viel von den lebenden Toten übriggelassen hatte. Auch die unverwesten Leichen im Beinhaus waren verbrannt. Das ersparte ihnen unangenehme Fragen und zusätzliche lebende Tote.
Da sie im Pfarrhaus kaum noch Spuren von den darin befindlichen Zombies finden konnten, vermochte niemand mit Gewissheit zu sagen, ob Werner dem Feuer entkommen war oder ob er sich gleich seinem Schicksal ergeben hatte.
Bianca war sich fast sicher, dass es Werner war, der für den Brand verantwortlich war. Immerhin war das die sicherste Methode, den Pfarrer verschwinden zu lassen, und dass Werner bei dem Versuch, Schlimmes zu verhindern, mit äußerster Brutalität vorging, durfte jeder der Anwesenden am Vorabend recht eindrucksvoll erfahren.
Dass die lebende Leiche des Pfarrers verbrannt war, konnten sie nach langer Suche selbst feststellen, als sie unter den Trümmern einen weitgehend erhaltenen, aber zerschmetterten Oberschenkelknochen fanden. Als wenig später auch noch das leicht angeschmolzene Goldkreuz des Pfarrers auftauchte, waren auch die letzten Zweifel ausgeräumt.
Irmhild saß indessen abseits an der Friedhofsmauer und weinte. Immerhin hatte sie durch den Brand weitgehend alle Habseligkeiten verloren. Was ihr blieb, waren die paar Kleinigkeiten, die sie am Vorabend mit in Annas Pension genommen hatte. Wie jeder andere Mensch in ihrer Situation hatte auch sie den Verlust vieler persönlicher Habseligkeiten zu beklagen, die für sie einen erheblichen ideellen Wert hatten und einfach nicht mehr zu ersetzen waren.
Alle anderen gruben sich gut drei Stunden durch die Trümmer. Lediglich Klaus konnte aufgrund seiner Verletzungen nicht so, wie er wollte. Er musste sich schließlich darauf beschränken, Fundstücke, wenn nötig, zu
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