Der Sommer der Toten
jeder Marktschreier. Wenn wir die nicht ständig unter Kontrolle haben, dann wird innerhalb kürzester Zeit jeder im Dorf erfahren, was hier passiert ist. Ich meine ... das wird ohnehin demnächst passieren. Das Ableben des Priesters lässt sich hier beim besten Willen nicht verheimlichen. Aber ich würde nicht gerne mit der Wahrheit rausrücken müssen. Und auch nicht damit, dass er sich nicht so verhält, wie man es von Toten im Allgemeinen erwartet. Und dann schon mal gar nicht mit all den Ausschmückungen, die sie dann noch dazu erfindet.“
„Und du glaubst, das kriegst du hin?“, fragte Bianca skeptisch.
„Und ob. Ich stell die in die Küche. Dann hat sie eine Aufgabe und ist erst mal wieder handzahm.“
Anna grinste wieder. „Außerdem soll sie noch eine Chance bekommen, festzustellen, dass du eigentlich total nett bist.“
„Oh, danke“, entgegnete Bianca säuerlich. „Aber bitte gib ihr nicht das Zimmer neben unserem.“
„Kein Problem“, erwiderte Anna lachend. „Das habe ich nur gesagt, weil ich mal dein Gesicht dazu sehen wollte. Hat sich gelohnt. Das war wirklich klasse.“
„Wie nett von dir“, meckerte Bianca und wandte sich zu Werner um. „Fandest du das auch lustig, Werner?“
Ja.
„Oh Mann!“, stöhnte Bianca, während sich Anna vor Lachen krümmte. „Ihr Toten habt wirklich einen seltsamen Humor.“
Anna wurde wieder ernst.
„Was machen wir eigentlich mit den beiden?“, erkundigte sie sich.
„Gute Frage“, gab Bianca zu und wandte sich erneut an Werner. „Werner, können wir euch beide hier im Pfarrhaus lassen?“
Ja.
„Können wir uns auch darauf verlassen, dass ihr wirklich hier drin bleibt und keine Dummheiten macht?“
Ja.
„Und kannst du auch dafür sorgen, dass der Pfarrer nicht abhaut?“
Jetzt kam keine Antwort von Werner. Stattdessen löste er sich wieder von seinem angestammten Platz bei der Tür und torkelte auf den untoten Pfarrer zu.
Anna und Bianca verstanden zunächst gar nicht, was Werner vorhatte – bis es zu spät war. Werner nahm beide Arme des Priesters und bog sie leicht nach hinten. Bianca dachte im ersten Augenblick, Werner wollte dem Priester auf die Füße helfen. Doch dann verdrehte er Pfarrer Schusters Arme mit einem entsetzlichen Ruck nach hinten. Das fürchterliche Krachen, als die Schlüsselbeinknochen und Ellenbogengelenke zersplitterten, schien in Biancas Ohren regelrecht zu dröhnen.
Als Werner von dem Pfarrer abließ, standen beide Arme in grotesker Haltung auf dem Rücken gerichtet und versagten jeglichen Dienst bei den weiteren Bemühungen des Untoten, sich zum Aufrichten auf dem Boden abzustützen.
„Werner!“, rief Bianca entsetzt.
Werner reagierte nicht. Stattdessen beugte er sich nach unten und nahm ein Bein des Priesters auf. Mit der zweiten Hand drückte er mit derselben furchtbaren Kraft das Kniegelenk nach unten, dass das Bein scheinbar wie eine Salzstange durchbrach. Das Knie wurde in einem völlig unnatürlichen Winkel nach oben abgewinkelt und kurz oberhalb des Kniegelenks drang der abgesplitterte Oberschenkelknochen durch das Fleisch der Wade und bohrte sich sogar durch die Hose des Priesters.
Der untote Pfarrer ließ das alles scheinbar ungerührt über sich ergehen. Werner ließ das zerstörte Bein los. Es plumpste auf dem Boden, als handele es sich um die Extremität einer Gliederpuppe. Unter der Wade bildete sich eine Blutlache.
„Werner!“, rief Bianca erneut entsetzt aus. „Ich habe nur gesagt, dass du verhindern sollst, dass der Pfarrer als Zombie durchs Dorf stolpert!“
„Das hat er doch“, entgegnete Anna stöhnend und übergab sich.
15.
Als Irmhild mit dem Kommissar zurückkam, gab es noch mal ein mittleres Fiasko, als Irmhild die zerstörten Gliedmaße von Pfarrer Schuster bemerkte.
Anna versuchte, so diplomatisch wie möglich zu erklären, was vorgefallen war. Dabei vermied sie schon vorsorglich zu erwähnen, dass Bianca es war, die Werner die Anweisung gab, den untoten Priester am Verlassen des Pfarrhauses zu hindern.
„Man kann sagen, was man will“, brummte abschließend der Kommissar. „Seine Methoden sind effektiv.“
Damit zog er – vorsichtig ausgedrückt – Irmhilds Unmut auf sich, die ihm neben Geschmacklosigkeit auch noch Gottlosigkeit und Leichenschändung vorwarf.
Anschließend kostete es noch einiges an Überzeugungsarbeit, Irmhild daran zu hindern, zuvor die Blutlache, die sich unter der zerstörten Wade des Priesters gebildet hatte, aufzuwischen.
Schließlich
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