Der Sommer der Toten
Publikum wurde Bianca mehrfach angemacht. Ein besonders widerlicher Typ mit langen fettigen Haaren war sogar so dreist, sie direkt zu fragen, ob sie mit ihm mal eine Runde ficken wollte.
Biancas Antwort war nicht weniger direkt und ließ den Kerl abziehen wie ein Häuflein Elend.
Als dann letztlich die brachialen Gitarrenrhythmen von Rammstein und Subway to Sally so durchdringend durch die Kneipe krachten, dass sich sogar die Gläser mit ihren Getränken vibrierend über den Tisch bewegten, gab Bianca durch ein Zeichen zu verstehen, dass sie gehen wollte.
Anna deutete ein Nicken an und gemeinsam quetschten sie sich durch den Pulk der Gäste in Richtung Ausgang.
Nachdem sie durch die Eingangstür an die frische Luft getreten waren, dachte Bianca für den Bruchteil einer Sekunde, sie sei taub geworden. Die Geräusche der Umwelt reduzierten sich nur noch auf ein permanentes Pfeifen im Ohr.
„Ziemlich laut“, sagte Anna schließlich. „Auf der Tanzfläche möchte ich jetzt bestimmt nicht sein.“
„Die müssen doch allesamt taub aus der Disco kommen“, entgegnete Bianca leicht verzweifelt. „Diese Lautstärken grenzen doch schon an Körperverletzung.“
„Gegen den Besitzer läuft auch ein Gerichtsverfahren“, verkündete Anna. „Ich dachte, gerade deswegen wären die jetzt vernünftiger geworden.“
„Gerichtsverfahren?“, fragte Bianca neugierig.
„Eine ehemalige Bedienung hat in diesem Laden ihr Gehör weitgehend eingebüßt. In der ersten Instanz ist bereits zugunsten der Bedienung entschieden worden, aber der Besitzer will das nicht einsehen und ist in Revision gegangen. Sieht aber nicht so gut für ihn aus.“
„Hoffentlich“, knurrte Bianca. „Ich habe ja kein Problem damit, wenn’s mal laut wird, aber das war eindeutig zu viel.“
Sie schlenderten langsam über den weiträumig angelegten Parkplatz der Disco. In der Nähe der Gebäude standen viele Motorräder – Autos waren indessen relativ wenig auf dem Parkplatz zu finden. Das Sommerwetter lud ja auch geradezu zum Motorrad fahren ein.
„Das wird noch eine gute Stunde dauern, bis Klaus aus dem Kino kommt“, vermutete Bianca. „Gibt es hier irgendwo ein Café, in das wir uns so lange setzen können?“
„Ihr könnt euch so lange mit uns beschäftigen“, höhnte eine Stimme hinter ihnen, ehe Anna dazu kam, zu antworten.
Beide drehten sich erschrocken um. Vier Rocker waren ihnen leise auf den Parkplatz gefolgt. Einen erkannte Bianca wieder. Es handelte sich dabei um den schmierigen Typen, dem sie eine recht rüde Abfuhr erteilt hatte.
„Danke“, sagte Bianca kühl. „Aber ich bin aus dem Alter draußen, wo man mit Puppen spielt.“
Aus den Augenwinkeln gewahrte sie, wie Anna deutlich erschrocken auf ihre Antwort reagierte.
Auch den Rockern war anzusehen, dass ihnen Biancas Ton eindeutig nicht gefallen hatte.
„Ich hab dir ja gesagt“, sagte der schmierige Kerl. „Die ist vorlaut wie sonst was.“
Der scheinbare Anführer der vier, ein zwei Meter großer muskelbepackter Kerl mit ebenso fettigen schwarzen langen Haaren und einem ungepflegten Vollbart fasste sich selbst lasziv in den Schritt und lachte dabei dreckig.
„Dann müssen wir dieser kleinen Fotze mal Manieren beibringen“, grölte er übermütig.
Die drei anderen applaudierten jubelnd.
„Willst du auch wissen, womit ich dir Manieren beibringe, du Miststück?“, krakeelte der Widerling.
Bianca war innerlich zum Zerreißen angespannt. Äußerlich gab sie sich alle Mühe, völlig gelassen zu wirken.
Sie erkannte aber auch, dass Anna alles andere als gelassen auf diese Situation reagierte. Sie durfte es also nicht zu weit treiben und die Sache so rasch wie möglich über die Bühne bringen.
„Ich nehme an, du wirst es mir gleich zeigen“, antwortete sie kühl.
„Allerdings, du Schlampe“, antwortete der Rocker gefährlich ruhig, zog seine Hose herunter und streckte ihr entgegen, was er für seine Männlichkeit hielt. „Damit.“
Die Typen waren nicht nur widerlich, wie Bianca im Stillen erkannte, sondern auch noch so blöd, dass es krachte. Der Kerl schien so von sich überzeugt zu sein, dass er gar nicht bedachte, dass er mit heruntergelassenen Hosen weit weniger kampffähig war.
Es war für Bianca mehr als verlockend, sich noch ein wenig über den Kerl lustig zu machen, aber sie beherrschte sich. Eine solche Situation wollte sie nicht ungenutzt lassen.
Anna reagierte so, wie es diese Kerle erwarteten, nämlich mit Angst und Entsetzen und darin
Weitere Kostenlose Bücher