Der Sommer der Toten
noch versucht, ein Gespräch mit Bianca zu beginnen, sah aber rasch ein, dass es sinnlos war. Bianca hatte eindeutig schlechte Laune und es war schon fast geschmeichelt, zu behaupten, Biancas Antworten seien einsilbig.
Bianca ließ sich direkt zu Annas Pension fahren. Dort angekommen, erkannte sie, dass alles dunkel war. Daraus schloss sie, dass Klaus und Anna noch damit beschäftigt waren, Kellermann auf dem Friedhof zu befreien. Kurz entschlossen bat sie den Fahrer, sie zu dem Parkplatz am Fuße des Hexenhügels zu fahren.
Sie sah sich in ihrer Vermutung bestätigt, als sie Annas Mercedes auf dem Parkplatz erkannte, nachdem das Taxi diesen erreicht hatte. Jetzt rang sich Bianca doch noch zu einem – wie sie hoffte – freundlichen Lächeln durch und bezahlte neben der üppigen Taxirechnung noch ein sehr hoch bemessenes Trinkgeld.
Sie wartete noch, bis das Taxi verschwunden war, ehe sie sich anschickte, den Weg zum Hexenhügel in Angriff zu nehmen und sich den noch folgenden unangenehmen Überraschungen zu stellen.
16.
Anna buddelte in dem Schutt herum, als ginge es um ihr Leben. Klaus stand daneben, hielt die Taschenlampe und kam sich wie ein Vollidiot vor.
Lange Zeit hatte keiner der beiden den Eindruck, dass es wirklich voranging. Anna schippte Schutt beiseite wie ein Berserker, aber es wollte noch nicht einmal der Ansatz eines Loches auftauchen.
Erst nachdem sie einige verkohlte Balken zur Seite gezerrt hatte, waren die ersten Fortschritte erkennbar.
Kellermann war unten ab und an zu hören und gab ihnen Feedback. Er erkannte nach geraumer Zeit auch, dass sich etwas über seinen Kopf tat.
Es mochte mehr als eine Stunde harter Arbeit gewesen sein, als sich endlich ein Loch zu dem Kellergewölbe auftat – allerdings gerade mal breit genug, um einen Arm hindurch zu stecken.
Aber das gab Anna den nötigen Auftrieb, sich auch dem Rest dieser Aufgabe zu stellen, obwohl sie, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, kaum noch die Kraft dazu hatte.
Mit Hacke und Schaufel verbreiterte sie das Loch so lange, bis ein Mensch bequem hindurchschlüpfen konnte.
„Halt die Lampe“, sagte Klaus, nachdem Anna völlig entkräftet die Werkzeuge fallen ließ. „Jetzt bin ich dran.“
„Angeber“, sagte Anna kraftlos und übernahm die Taschenlampe. Im Schein des Lichtkegels erkannte Klaus, dass sie aber matt lächelte.
Klaus biss seine Zähne zusammen und ignorierte so gut es ging seine Schmerzen, als er in das Loch hinab in den Keller stieg.
Kellermann leuchtete von unten, sodass Klaus sehen konnte, wohin er kletterte.
Erst als er unten angekommen war, nahm er richtig wahr, dass Kellermann nicht alleine im Keller war, und zuckte wie elektrisiert zusammen.
„Heilige Scheiße“, rief Klaus entsetzt aus. „Hätten Sie mich nicht auf Ihren ganz besonderen Spielkameraden hier vorbereiten können?“
„So ein kleiner Schreck zur Mitternacht soll angeblich sehr erfrischend sein – so für den Geist und so“, brummte Kellermann.
„Danke auch“, entgegnete Klaus giftig. „Sehr fürsorglich. Ist das dieser komische Inquisitions-Pfaffe?“
„Ich weiß es nicht genau, aber ich könnte wetten. Passt jedenfalls alles zu dieser abstrusen Story.“
„Und warum kriecht er?“
„Weil ich dem Kerl die Kniescheiben weggeschossen habe“, antwortete Kellermann säuerlich.
„Aha!“ Klaus grinste. „Mir scheint, Sie haben eine Menge von Werner gelernt.“
„Soll ich jetzt darüber lachen?“
„Nur wenn Sie wollen.“
„Ich will aber nicht. Ich will hier raus und zu einem verdammten Arzt.“
„Da kann Ihnen geholfen werden“, feixte Klaus. „In welcher Reihenfolge darf’s denn sein?“
„Kommt ihr heute noch rauf oder soll ich einen Picknickkorb runterschicken?“, fragte Anna ungeduldig von oben, während der Strahl ihrer Taschenlampe nach den beiden suchte.
„Wir sind schon auf dem Weg!“, rief Klaus hinauf, dann wandte er sich an Kellermann: „Ist Ihr Fuß schlimm verletzt?“
„Ja“, antwortete Kellermann. „Ich glaube, ich habe mir den Knöchel gebrochen.“
„Tja, ich kann Ihnen im Moment auch nicht viel helfen. Zunächst müssen wir beide versuchen, irgendwie diesen Schuttberg hinaufzukommen. Oben kann uns dann auch Anna helfen.“
Kellermann nickte.
„Ich gehe rückwärts vor“, schlug Klaus vor. „Sie versuchen zu folgen. Wenn es Probleme gibt, kann ich versuchen, Sie zu ziehen.“
Kellermann nickte erneut. Dann begannen beide den Aufstieg. Zunächst lief alles gut. Sie kamen zwar
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