Der Sommer der Toten
lauschte er den schlurfenden Schritten, die unendlich langsam immer näher kamen. Er kam sich vor wie ein Passagier auf der Titanic, der in seiner Kabine hockte und der keine andere Wahl hatte, zu warten, bis sich die Kabine des untergehenden Schiffes mit Wasser füllte, sodass er ertrank. Kellermann war sich sicher, dass der lebende Tote, der sich ihm näherte, töten würde, wenn er ihn erreichte.
Kellermann würde es ihm nicht leicht machen. Er hatte bereits seine Waffe gezückt, entsichert und er hielt sie schussbereit in seiner Hand.
Zwölf Schuss des ersten Magazins konnte er auf den Zombie abfeuern – und elf Schuss aus dem zweiten.
Den letzten Schuss würde er für sich selbst aufheben, wenn er keine weitere Chance mehr hatte, sich des lebenden Toten zu erwehren.
Aber noch war es nicht so weit. Der lebende Tote war noch gar nicht zu sehen, war also noch gar nicht um den Knick gebogen. Und selbst danach müsste er noch rund acht Meter zurücklegen.
Kellermann könnte sich selbst in den Hintern treten, dass er nicht früher auf die Idee gekommen war, den Zombie ganz nach Werners Vorbild einfach nur bewegungsunfähig zu machen. Nun musste er es halt versuchen, wenn die lebende Leiche in seinem Blickfeld auftauchte.
Jetzt zu dem Knick zu hinken und den toten Priester noch davor abzupassen, war zu gefährlich. Der Zombie könnte in greifbarer Nähe sein, wenn Kellermann den Knick erreicht hatte. Und dann könnte es zu spät sein, um noch mal dem Untoten auszuweichen. Vor allem dann, wenn Kellermann selbst in seiner Beweglichkeit eingeschränkt war.
Also saß Kellermann auf dem Schuttberg und pokerte um jede Minute Zeit.
Erneut schaltete er die Taschenlampe ein und diesmal sah er Vater Inquisitor um die Ecke kommen. Obwohl er sich darauf bereits eingestellt hatte, ließ der Anblick einen eisigen Schauer über seinen Rücken laufen. Kellermann ließ die Taschenlampe diesmal eingeschaltet und legte seine Dienstwaffe auf den Zombie an.
Er war hin und her gerissen, worauf er zielen sollte. Sollte er auf den Kopf zielen – ganz so, wie es die Zombiefilme lehrten, um damit sicher zu stellen, dass der Priester endgültig tot war?
Nach hinreichender Überlegung erschien ihm das schwachsinnig. Da Vater Inquisitor bereits einen durch eine Axt gespaltenen Schädel aufwies, war es wohl unwahrscheinlich, dass er mit einem Kopfschuss ausreichend zusätzliche Schäden hervorzurufen vermochte.
Also legte er an und gab einen Schuss auf die Beine des Toten ab.
Der Knall hallte entsetzlich laut in dem Gang wider. Kellermann hatte das Gefühl, der Schuss müsste noch unten im Ort zu hören sein.
Aber er traf. Im Licht der Taschenlampe konnte Kellermann erkennen, wie die Kugel einschlug und Knochensplitter der Kniescheibe mitsamt einer Blutwolke durch die Gegend flogen.
Doch der Zombie wankte nur kurz und schlurfte ansonsten unbeeindruckt weiter auf Kellermann zu, wobei das getroffene Knie allerdings in eine völlig unnatürliche Richtung nach vorn abknickte.
Das gab Kellermann Hoffnung. Er zielte erneut auf das Knie des Untoten und feuerte einen zweiten Schuss darauf ab.
12.
Klaus fuhr regelrecht zusammen, als der erste Schuss, den Kellermann abgefeuert hatte, über den Friedhof hallte.
Bis dahin hatte er wie hypnotisiert auf die Hand gestarrt, die versuchte, sich aus dem Erdreich zu befreien.
„Das muss Kellermann sein“, vermutete Anna, die sich als Erste von dem Schreck erholt hatte, und blickte in die Richtung, wo der Schuss her kam.
Klaus löste sich endgültig von dem makabren Anblick und lief auf die Trümmer des Pfarrhauses zu.
Dann kam der zweite Schuss. Da Klaus jetzt darauf konzentriert war, konnte er erneut die ungefähre Richtung orten, aus welcher der Knall kam, und korrigierte seine Laufrichtung entsprechend.
„Kellermann!“, rief Klaus und lauschte nach einer möglichen Antwort.
Es herrschte Stille.
„KELLERMANN!“, rief er erneut und diesmal so laut er konnte.
Und tatsächlich rief jemand zurück.
Klaus begab sich auf die Suche nach dem Ursprung der Stimme.
13.
Kellermann konnte es kaum fassen, als er seinen Namen hörte. Er hatte den ersten Ruf auch bereits gehört, aber der war so leise, dass er sich nicht sicher war, ob er sich das vielleicht auch eingebildet hatte. Aber als erneut sein Name gerufen wurde, war er unendlich erleichtert.
So laut er konnte, brüllte er „HIER!“ und wartete ab, ob sich jemand näherte oder ob nochmals sein Name gerufen wurde.
Nachdem auch sein
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