Der Sommer der Toten
zweiter Schuss getroffen hatte, war der Zombie nicht mehr in der Lage, sich auf seinen Beinen fortzubewegen. Der Schuss hatte das Knie des Untoten völlig zerstört und dieser war einfach nur völlig unspektakulär zusammengeklappt. Seither robbte der Tote mit Hilfe beider Arme auf Kellermann zu.
Kellermann beobachtete ihn mittlerweile gelassen. Der untote Priester kam so nur sehr langsam voran und war ein berechenbarer Gegner. Wenn er Kellermann wirklich zu nahe kam, bevor man ihn hier herausholen konnte, dann hatte er ja noch so einige Schuss in Reserve.
„Kommissar Kellermann!“, hörte er Klaus seinen Namen rufen.
„Hier!“, rief Kellermann.
„Hallo! Wo sind Sie?“ Die Stimme kam näher.
„Hier unten!“
„Bitte rufen Sie noch ein paar Mal!“ Wieder näher.
„HIER! HIER! HIER! HIER!“, brüllte Kellermann aus Leibeskräften. In dem hallenden Gang tat ihm seine eigene Stimme in den Ohren weh.
„Hier?“, hörte er mit einem Male Klaus direkt über sich fragen.
„Ja genau!“, rief Kellermann erleichtert aus.
„Herrje!“, rief Klaus aus. „Wie sind Sie denn dort hineingekommen.“
„Ich hab mir ein Taxi bestellt, das mich hier herunter fährt“, brüllte Kellermann erbost. „Können Sie mich bitte erst mal hier rausholen? Ich habe einen gebrochenen Fuß und einen dieser lebenden Toten vor mir, der so aussieht, als würde er gerne mal an mir herumknabbern!“
14.
„Wir haben ein Problem“, fasste Klaus die Situation zusammen, nachdem er Anna außer Kellermanns Hörweite gewinkt hatte. „Kellermann ist verletzt, ich bin nicht so ganz taufrisch und irgendwie müssen wir den Kerl jetzt dort ausbuddeln.“
„Du meinst, ich habe ein Problem“, präzisierte Anna. „Ich bin die Einzige hier, die nicht verletzt ist, und viel mehr Optionen haben wir nicht.“
„Du kannst den Kerl nicht alleine da ausbuddeln“, protestierte Klaus. „Wer weiß, wie tief er eingegraben ist, und richtige Werkzeuge haben wir auch nicht.“
„Wer sagt das?“, fragte Anna geduldig.
Sie nahm die Taschenlampe, ging an die Kopfseite des Friedhofs und leuchtete über die Mauer. Dann ging sie einige Schritte nach rechts, beugte sich über die Mauer und zauberte zwei Schaufeln und eine Hacke dahinter hervor. Beides trug sie zurück zu Klaus, der ihr Treiben erstaunt verfolgt hatte.
„Es ist manchmal von Vorteil, mit einem Totengräber liiert zu sein“, erklärte Anna grinsend und drückte Klaus eine Schaufel in die Hand. „Die verstecken hier immer ihr Werkzeug hinter den Friedhofsmauern. Bisher ist niemand auf die Idee gekommen, da mal nachzusehen. Manchmal ist das beste Versteck das, über das die Leute fast stolpern.“
Sie gab Klaus auch die Taschenlampe.
„Ich nehme an, du bist ein wenig zu angeschlagen, um hier herumzubuddeln“, erklärte sie im sachlichen Tonfall. „Ich habe nicht viel davon, wenn du jetzt den Macho raushängen lässt. Du hilfst mir vielmehr, wenn du die Taschenlampe nimmst und leuchtest.“
„Und für was ist dann die zweite Schaufel?“, fragte Klaus trotzig.
„Falls du mit deiner gekränkten Macho-Ehre nicht an dir halten kannst und unbedingt mitbuddeln willst.“
„Sehr witzig.“
15.
Bianca war – freundlich ausgedrückt – stinksauer. Zunächst musste sie sich mit diesem mies gelaunten Bullen herumschlagen, dann wurde sie noch mal auf das Polizeirevier zitiert, um sich erkennungsdienstlich aufnehmen zu lassen, wurde nochmals verhört und hatte das Gefühl, sie wäre die Hauptverdächtige.
Es grenzte an ein Wunder, dass die Bullen nicht noch ihre Klamotten nach den verschwundenen Köpfen der Rocker durchsucht hatten. Drei Stunden später – zwischenzeitlich war sie bereits kurz vor einer Anzeige wegen Beamtenbeleidigung – erlaubte man ihr großzügig, nach Hause zu gehen – wies sie aber darauf hin, sich für die Polizei verfügbar zu halten.
Natürlich war es auch nicht möglich, die erkennungsdienstliche Erfassung vor Ort durchzuführen. Sie wurde in die Stadt gekarrt, durfte dort aber selbst zusehen, wie sie wieder zurückkam.
Bianca beschloss, sich zunächst mal mit Kellermann zu unterhalten – immerhin war er zwar immer etwas miesepetrig, aber im Vergleich zu Holzacher durchaus pflegeleicht.
Bianca saß missmutig im Taxi und beobachtete, wie der Betrag auf dem Taxameter sich kontinuierlich in Zehn-Cent-Schritten in Schwindel erregende Höhen hinaufschlängelte.
Der Fahrer – eigentlich ein freundlicher Zeitgenosse – hatte zu Beginn der Fahrt
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