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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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auf dem weitläufigen Flur wider, und ein etwa fünfunddreißigjähriger Mann kam mit mehreren gelben Mappen im Arm auf das Sekretariat zu. Die Frau strahlte.
    »Sie haben Glück gehabt«, sagte sie und wandte sich dem Mann zu, »Alfonso, das ist Inspektor ...«
    »Salgado«, vervollständigte Héctor.
    »Alfonso Esteve war Marcs Tutor in seinem letzten Jahr hier«, erklärte die Sekretärin zufrieden.
    Besagter Alfonso schien nicht ganz so zufrieden und schenkte den Besuchern einen reservierten Blick.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er nach einigem Zögern. Er war recht klein, einssiebzig vielleicht, und trug Jeans, kurzärmliges weißes Hemd und Turnschuhe. Eine Hornbrille gab dem Ganzen eine seriöse Note. Bevor Salgado antworten konnte, legte er die gelben Mappen am Schalter ab.
    »Können wir irgendwo miteinander sprechen?«, fragte Héctor. »Nur ein paar Minuten.«
    Der Lehrer schielte zur Sekretärin, und sie schien zuzustimmen, wenn auch halbherzig.
    »Ich weiß nicht, ob der Direktor es gutheißen würde«, sagte er. »Was in den Akten unserer Schüler steht, ist Privatsache, das wissen Sie.«
    Héctor Salgado rührte sich keinen Millimeter, er hielt den Lehrer fest im Blick.
    »Einverstanden, gehen wir ins Lehrerzimmer, dort sind wir ungestört.«
    Die Sekretärin setzte ein enttäuschtes Gesicht auf, sagte aber nichts. Salgado und Castro folgten Alfonso Esteve, der raschen Schrittes auf ein Zimmer am Ende des Flurs zuging.
    »Bitte setzen Sie sich«, sagte er, als sie eintraten, und schloss die Tür. »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Leire sah eine rote Kaffeemaschine auf einem kleinen Kühlschrank blitzen. Héctor antwortete vor ihr.
    »Ja, gerne.« Sein Ton hatte sich verändert, er war jetzt zugewandter. »Bald geht’s in die Ferien?«
    »Ja, heute. Und Sie, auch einen Kaffee?« Der Lehrer lächelte der Beamtin zu, während er das Pad in die Maschine legte.
    »Nein, danke«, sagte sie.
    »Für mich bitte mit ein wenig Milch«, sagte Salgado. »Ohne Zucker.«
    Alfonso kam mit zwei Tassen Kaffee an den Tisch. Als er sich setzte, wirkte er erneut betrübt. Bevor er seine Bedenken aussprechen konnte, ergriff Inspektor Salgado das Wort.
    »Hören Sie, das ist kein offizieller Besuch hier. Wir wollen den Fall nur abschließen, und es gibt ein paar Dinge, die uns weder die Familie noch die Freunde des Jungen sagen können. Es geht um gewisse Aspekte seiner Persönlichkeit. Ichbin sicher, dass Sie Ihre Schüler gut kennen und auch eine Meinung zu ihnen haben. Wie war Marc Castells? Ich meine nicht seine schulischen Leistungen, sondern sein Verhalten, was hatte er für Freunde, Sie wissen schon.«
    Der Lehrer war sichtlich geschmeichelt, und diesmal antwortete er ohne zu zögern.
    »Nun ja, genau genommen war Marc zu der Zeit nicht mehr mein Schüler. Aber er war es natürlich gewesen, in der letzten Klasse der Sekundarstufe und in der Oberstufe.«
    »Was unterrichten Sie?«
    »Geografie und Geschichte. »
    »Und im letzten Schuljahr waren Sie sein Tutor.«
    »Ja. Es war kein gutes Jahr für Marc. Reden wir nicht drum herum, er ist nie ein brillanter Schüler gewesen, ganz und gar nicht. Er hat die Sekundarstufe gerade so geschafft und musste das erste Jahr der Oberstufe wiederholen, aber bis dahin gab es nie Probleme.«
    Leire schaute den Lehrer interessiert an.
    »Und das hat sich irgendwann geändert?«
    »Allerdings«, bestätigte Alfonso. »Auch wenn wir uns erst gefreut haben. Marc war nämlich immer ein sehr schüchterner Junge gewesen, introvertiert, wenig gesprächig. Einer von denen, die im Klassenzimmer nicht auffallen ... und außerhalb wohl auch nicht. Ich glaube, im ganzen vierten Jahr der Sekundarstufe habe ich seine Stimme nur gehört, wenn er direkt angesprochen wurde. Es war eine Erleichterung, als er langsam offener wurde, da war er schon in der Oberstufe. Er war aktiver, nicht mehr so still ... Der Umgang mit Aleix Rovira hat ihn aufgerüttelt, nehme ich an.«
    Héctor horchte auf. Der Name war ihm vertraut.
    »Waren sie Freunde?«
    »Ich glaube, die Familien kannten sich schon, aber als Marc wiederholte und zu ihm in die Klasse kam, wurden sieunzertrennlich. Und natürlich hat sich die Freundschaft positiv auf Marc ausgewirkt, zumindest auf seine Leistungen. Aleix ist ohne Zweifel der brillanteste Schüler, den die Schule in den letzten Jahren gehabt hat.« Er sagte es sehr bestimmt, und dennoch schwang in seinem Satz eine Art Vorbehalt mit.
    »Sie mochten ihn nicht?«
    Der

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