Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
Vom Netzwerk:
ignoriert, das ist wohl normal so. Aber in letzter Zeit, seit seiner Rückkehr aus Dublin, schien er mehr an ihr zu hängen. Und jetzt verm…«
    Bevor sie es aussprechen konnte, kam Natàlia hereingefegt. Irgendwie wirkte dieser Kinderlärm, der in einer anderen Familie nicht aufgefallen wäre, hier merkwürdig.
    »Natàlia, mein Liebes ...«
    Aber das Mädchen beachtete sie nicht und ging gleich zu dem Tisch, an dem sie malte, und sammelte die Blätter ein.
    »So ein ordentliches Kind!«, bemerkte Leire.
    »Das glauben Sie ... Jetzt bringt sie alles in mein Zimmer.« Sie lächelte. »Seit ich auch zur Schule gehe, wie sie sagt, legt sie mit Begeisterung ihre Sachen auf meinen Schreibtisch. Ich sehe mal nach, bevor es zu spät ist.«
    Leire, der diese Szene mütterlicher Ergebenheit unerträglich wurde, stand auf. Sie wollte lieber im Auto auf den Inspektor warten.
    Dort saß sie, als Héctor die Kiste mit Marcs Sachen aus dem Haus trug. Sie bemerkte ihn nicht und schaute nur gedankenverloren auf das Display ihres Handys, als wäre es ein Fremdkörper, etwas, was ihr wie durch ein Wunder zugefallen wäre und unergründlich bliebe. Héctor musste erst auf sich aufmerksam machen, ehe sie ihm die Heckklappe öffnete. Leire stammelte eine Entschuldigung und steckte das Handy ein.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
    »Klar. Wie ich sehe, haben Sie Castells überzeugen können.«
    Héctor hakte nicht nach. Bevor er in den Wagen stieg, sah er auf sein eigenes Handy. Drei verpasste Anrufe: zwei von Andreu, einer von seinem Sohn. Na endlich. In Castros Beisein wollte er keinem von ihnen antworten, er würde mit ihr bis zur Plaza Bonanova fahren und dann sehen, wie er nachhause kam.
    »Bring alles aufs Kommissariat, ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen«, sagte er beim Einsteigen. »Das Notebook ist übrigens kaputt. Habt ihr es euch nicht angesehen an dem Tag?«
    Leire überlegte. Sie war die meiste Zeit unten gewesen, bis der Tote abgeholt wurde.
    »Ehrlich gesagt«, sagte sie schließlich, »wir haben gar kein Notebook gesehen. Der PC in der Dachkammer wurde untersucht, um zu sehen, ob Marc eine Nachricht hinterlassen hatte, etwas, was man als Hinweis auf einen Selbstmord deuten könnte. Aber da war nichts. Und zu keinem Zeitpunkt hat irgendwer gesagt, dass er noch einen anderen Rechner hatte.«
    »Hatte er aber«, sagte Héctor. »In seinem Schlafzimmer, nehme ich an.« Dabei beließ er es, und der Gedanke, dass man nicht gewissenhaft gearbeitet haben könnte, bestimmte die Atmosphäre im Wagen. So dass der Inspektor, bevor er ausstieg, noch anmerkte: »Ich glaube nicht, dass es viel bringt. Nach wie vor ist am wahrscheinlichsten, dass der Junge versehentlich gestürzt ist. Untersuchen wir das T-Shirt, wer weiß, was dabei herauskommt. Ah, und sobald wir mehr wissen, müssen wir noch mit dem anderen Jungen sprechen, diesem Aleix Rovira. Aber auf dem Kommissariat. Ich bin es leid, diese Schnösel zuhause zu besuchen.«
    »Da wären wir. Sind Sie sicher, dass ich Sie hier absetzen soll?«
    »Ja, dann kann ich noch ein paar Besorgungen machen«, sagte er. Angesichts der Uhrzeit, schon fast neun, war klar, dass nicht mehr viel zu besorgen war. »Wir sehen uns morgen.« Er wollte sie erneut fragen, ob alles in Ordnung sei, aber er schwieg. »Einen schönen Abend.«
    Der Wagen fuhr davon, und Héctor zögerte ein paar Sekunden, ehe er sein Handy hervorholte und auf die Anrufe von Martina Andreu antwortete. Sie war gleich dran. Das Gespräch war kurz, ein Markenzeichen der Unterinspektorin. Zu Omars Verschwinden gab es nichts Neues, sehr wohl aber zu dem Schweinekopf: Eine Metzgerei in der Nähe, die ihn immer mit Eingeweiden für seinen faulen Zauber versorgte, hatte ihn angeblich geliefert. Was den falschen Doktor betraf, so schien er von der Erdoberfläche verschwunden zu sein und nur eine Blutspur hinterlassen zu haben. Nein, die Ergebnisse waren noch nicht eingetroffen, aber wahrscheinlich stammte es von ihm. Eine überstürzte Flucht vielleicht, oder eine Abrechnung, und jemand hatte alle Unterlagen mitgenommen und nur einen Teil des Dossiers über Salgado zurückgelassen. Was, sagte sie, ziemlich merkwürdig sei. Andreu verabschiedete sich rasch, und Héctor rief gleich seinen Sohn an, der, wie immer, nicht ans Handy ging. Nach einem ganzen Tag mit Eltern von verwöhnten Jugendlichen wollte er Guillermos Stimme hören, wollte wissen, ob alles in Ordnung war. Er hinterließ eine weitere Nachricht und stellte

Weitere Kostenlose Bücher