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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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immer sagst, die Liebe ist eine perverse Erfindung aus Hollywood, um die Frauen auf der ganzen Welt zu unterwerfen.«
    »Schon gut. Gönn mir eine Atempause, bitte.« Leire schnaubte. »Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben schwanger. Entschuldige, wenn ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll.«
    María sah sie liebevoll an.
    »Nur eins noch, dann wechseln wir das Thema. Ich will dir auch noch was erzählen.« Sie hielt inne, bevor sie fragte. »Bist Du dir sicher, dass du es behalten willst?«
    »Ja.« Leire zögerte. »Nein. Das heißt ... Ich bin sicher,dass es da ist«, sie deutete auf ihren Bauch, »und dass es in sieben Monaten auf die Welt kommt.« Sie aß die Mousse auf und leckte den Löffel ab. »Und du? Was ist mit Santi?«
    »Wir verreisen!« María strahlte.
    »Aber wollte er nicht mit einer NGO ins Ausland? Eine Hilfsstation in Afrika aufbauen?«
    »Ja, und er hat mich gefragt, ob ich ihn begleite.«
    Leire konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. Die Vorstellung, wie María irgendwas baute, von einer Hilfsstation im afrikanischen Busch ganz zu schweigen, kam ihr noch außerirdischer vor, als eine Babyausstattung zusammenzustellen.
    »Ich fahre nur für ein paar Tage.«
    »Wie viele?«
    »Zwölf, bestimmt«, sagte sie. »Oder länger, ich weiß noch nicht. Aber das wird super. Wir tun was Sinnvolles, alle beide. Ich habe echt genug von Jungs, die nur von Fußball reden, von ihren Chefs oder den Wunden, die ihre letzte Freundin ihnen geschlagen hat. Von Metrosexuellen, die dir die Creme klauen, und von getrennt Lebenden, die meinen, du müsstest ihre Kinder unterhalten, wenn sie am Wochenende dran sind. Santi ist anders.«
    »Sag bloß.« Ihre Geschmäcker, was Männer betraf, waren ein unerschöpflicher Quell von Differenzen, aber auch ein wesentlicher Aspekt ihrer Freundschaft. Noch nie hatte ihnen derselbe Typ Mann gefallen. Für Leire war Santi ein öder Besserwisser, dem ein ordentlicher Schuss Deodorant gutgetan hätte. Und María hätte Tomás garantiert als einen Angeber eingeschätzt, der sich für George Clooney hielt, weil er einen Anzug mit weißem Hemd trug und perfekte Zähne hatte. Sie hob ihr Glas Wasser und rief: »Auf den solidarischen Sextourismus!«
    María stimmte mit ihrem Glas Rotwein ein.
    »Auf den solidarischen Sextourismus! Und auf die Tierchen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen!«
    »Hexe!«
    Das Laken war vom Hin- und Herwälzen ganz zerknittert. Leire schloss die Augen und versuchte, sich im Dunkel zu entspannen. Einem klebrigen Dunkel, denn es wehte nicht das leiseste Lüftchen, und das offene Fenster schien nur die Funktion zu haben, das Zimmer mit dem Maunzen der verflixten Katze zu erfüllen. Erst vor ein paar Monaten hatte sie das Apartment bezogen, und in den ersten Wochen hatten diese Schreie, die klangen wie das Weinen eines Babys, sie immer wieder aus dem Schlaf geschreckt. Dann war sie auf die kleine Terrasse getreten, um die Quelle der jämmerlichen Laute herauszufinden, doch sie konnte nichts ausmachen, bis sie eines Nachts den Augen einer schlaflosen, wie eine Statue dahockenden Katze begegnete, die sie ungerührt und im Takt ihres Jaulens beobachteten. Mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, auch wenn diese animalischen Schreie sie nach wie vor störten, dieser reine Trieb, der ohne jede Scham nach Sex rief. Wenn sie das Fenster schloss, dachte sie jetzt, würde das Wimmern zwar leiser, die Hitze aber noch unerträglicher.
    Sie zündete sich eine Zigarette an, obwohl sie am Tag bereits die zugestandenen fünf geraucht hatte, und ging auf die Miniterrasse hinaus, ein Quadratfleckchen mit zwei Blumenkästen am Geländer und einem runden Holztisch. Sie suchte nach der Katze. Dort war sie, ganz plötzlich still, und sah wie ein schnurrbärtiger kleiner Buddha zu ihr hin. Nach den ersten Zügen wurde sie ruhiger, ein falscher Friede, das wusste sie, aber ein Friede doch. Erneut maunzte das Tier auf dem Dach gegenüber, als wollte es sie daran erinnern, dass es noch da war, und Leire schaute die Katze liebevoller an alsbisher. Sie hatte aufgeraucht und warf die Kippe auf den Boden. Sie hatte keine Lust, einen Aschenbecher zu holen. Die Katze neigte den Kopf, ein deutliches Zeichen der Missbilligung. »Hast du Hunger?«, fragte Leire sanft, und zum ersten Mal, seit sie dort wohnte, kam es ihr in den Sinn, einen Napf Milch hinzustellen. Sie tat es und ging wieder hinein, bestimmt würde das Tier nicht kommen, solange sie draußen war. Sie blieb ein

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