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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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Steuer rüttelte in ihrer Hand. Der alte Wagen rumpelte über Bretter – Waschbretter nannte man sie hier – in der Staubstraße.
    Auf dem Schild stand
    Aggies Fox Lake Park
    Häuser zu vermieten
    Wöchentlich – Monatlich
    Und darunter ein kleines Schild an einem Haken: »Frei«.
    Davor befand sich noch ein kleiner Haken, auf den man ein Schild »Besetzt« hängen konnte, sollte diese Situation eintreten (was Aggie erhoffte und sich manchmal im August auch tatsächlich ergab).
    Aggies Häuschen, klein, niedrig und weiß, genau wie die anderen, bis auf das Schildchen »Anmeldung« über der Tür. Es lag am Ende einer sandigen, holprigen Straße, die sich am Ufer entlangschlängelte. Es war dunkel, als Katie ankam. Das einzige gedämpfte Licht drang hinter einem zugezogenen Vorhang hervor. Katie hielt an, zog den Zündschlüssel ab und legte die Handbremse ein.
    Im Fenster sah sie eine Silhouette, die sich auf der Gardine abzeichnete. Eine weibliche Gestalt – Aggies fülliger Körper die sich langsam bewegte. Rücklings.
    Katies Verstand hatte kaum Zeit, dies zu registrieren, als ein zweiter Schatten, groß und männlich, erschien, schnell und mit erhobenem Arm.
    Dann war das Fenster wieder leer. Nur die Gardine war zu sehen.
    Auch dies nahm ihr Gehirn wahr, aber später, als sie sich zu erinnern versuchte und die richtige Reihenfolge ablaufen lassen wollte, konnte sie die schnelle Vorwärtsbewegung der großen Gestalt nicht von dem Schrei trennen, der aus dem Hausinnern in die dunkle Nacht drang, ein Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Aggies Aufschrei. Er endete abrupt mit einem gewaltigen Krachen und Poltern, Gegenstände fielen, zerbrachen, eine Kakophonie.
    Natürlich tat sie das Allerdümmste, wie man ihr im nachhinein sagte. Zu Recht. Sie sprang aus dem Wagen, lief auf das Haus zu, riß die Tür auf. Und sah Aggies Leichnam an der Wand lehnen, neben ihr ein heruntergefallenes Bild, das Glas im Rahmen zerbrochen. Ihr brutal zerschmetterter Kopf wies eine tiefe Wunde an einer Seite auf. Aggies Augen standen offen. Ein nach hinten hinausführendes Fenster stand offen. Über dem Raum lastete ein süßlicher, scharfer Geruch. Auf dem Boden lag ein schweres Holzscheit.
    Im nachhinein konnte sie unmöglich mehr sagen, was als erstes passiert war und was als nächstes. Sie hörte ein Bellen. Der Hund, dachte sie, der Bernhardiner. Gleich darauf kam ein gutturales Knurren. Dann Stille. Judy war im Nachbarhaus! Sie wollte hin, doch das Licht erlosch, und in der Dunkelheit umfaßte sie von hinten ein riesiger Arm und umklammerte ihre Kehle. Der süßliche, schwere Geruch war allgegenwärtig. Eine Stimme knurrte »FLLLL …«, doch die Töne wurden durch ihr Haar gedämpft. Ein zweiter Arm legte sich um ihren Körper und warf sie beiseite, und eine große, breite Gestalt hob sich einen Augenblick in der offenen Haustür gegen den hellen Nachtschimmer des Sees ab. Die Tür fiel ins Schloß.
    Sie mußte hinüber zu Judy. Sie dachte weder daran, Judy zu warnen, noch sich selbst in Sicherheit zu bringen. Sie wollte einfach in die Richtung, wo sie ein menschliches Wesen vermutete, riß die Tür auf, lief um Aggies Haus herum und lief und stieß dabei auf eine am Boden liegende Gestalt, groß wie ein Baum. Sie stolperte, fiel hin und kämpfte sich schon hoch, kaum daß sie den taunassen Boden berührt hatte.
    Es gab nur einen Menschen dieser Körpergröße in St. Alazara, und er war vor ihr wieder auf den Beinen. Er bückte sich und streckte seine Riesenarme aus. Butch Ronsky! Katie schrie auf und rollte sich beiseite. Ihr Reaktionsvermögen war vermutlich ihre Rettung. So wollte es wenigstens die öffentliche Meinung am nächsten Tag im Dorfladen wissen. Butch war zwar groß, aber er war nicht sehr behende, und sie schaffte es im Nu, unter seinem Riesenleib hervorzukommen.
    Sie lief wie von Furien gehetzt zu Judy Boomers Häuschen und hörte, wie Butch hinter ihr herlief. Sie schrie, und Butch knurrte und stolperte schließlich.
    Und dann schrie Judy, die Kinder brüllten, alle Lichter im Haus brannten.
    Eine schreckliche Stunde verging, bevor die Frauen, sich aneinanderklammernd und mit Messern bewaffnet, angsterfüllt hinüberliefen und von Aggies Telefon aus anriefen. Die Kinder hatten sie im Haus eingesperrt. Sie riefen im Wagonwheel-Laden an, und Hercules holte Barney, den Hüter des Gesetzes, ans Telefon. Barney war nach zehn Minuten zur Stelle.
    Wie hatte das alles nur passieren können? Auch

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