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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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qualvolle Versuch der Selbstbezichtigung war mitleiderregend.
    »Alles halb so schlimm«, sagte er.
    »Du hättest zum Arzt gehen sollen.«
    »Ach, Doc Bates war gerade da, als es passierte«, stammelte er. »Ach nein«, korrigierte er sich, als hätte er die falsche Geschichte erwischt. »Er kam kurz darauf. Er sagte, es wäre allerhöchstens eine Muskelzerrung oder so. Ich sollte den Arm ein paar Tage nicht benutzen, dann wäre alles in Ordnung.«
    »Ich würde zu einem richtigen Arzt in St. Cloud gehen.«
    Hercules sah jetzt, daß es ihr ernst war. Einen kurzen Augenblick lang las sie Erleichterung in seiner Miene. So als wäre sie plötzlich »in Ordnung« und jemand, vor dem man keine Angst zu haben brauchte, nur deswegen, weil sie seine Ansicht über Doc Bates teilte.
    Und dann war die Angst wieder da.
    »Womit kann ich dienen?« fragte er.
    »Ach, ich möchte telefonieren.«
    »Brauchst du Kleingeld?«
    »Ja, ich glaube.«
    Sie öffnete ihr Portemonnaie und sah nach. »Ja.« Sie nahm ein paar Dollar heraus und gab sie dem Ladenbesitzer.
    »Ein Ferngespräch«, erklärte sie in Beantwortung seines erstaunten Blickes. Herc drückte einen Knopf an der Registrierkasse, und die Wechselgeldlade schoß heraus.
    »Ein Ferngespräch! Das erste seit … ach nein, dein Papa rief vorgestern erst an …«
    »Hercules, hat Papa dir je gesagt, warum er sein Telefon stillegen ließ?«
    »Was? Dein Pa? Nein, du weißt doch, er gehört nicht zu den Typen, die einem was erklären. Außerdem haben das hier in der Gegend fast alle getan.«
    »Was getan?«
    »Die Telefonanschlüsse gekündigt. Die rufen jetzt alle von hier aus an. Wenn überhaupt. Es kommt nicht sehr häufig vor.«
    »Aber warum nur?«
    Herc sah sich wieder verstohlen um. Das war offenbar seine Gewohnheit – die allgegenwärtige Mutter. Katie sah, daß sie die einzigen im Laden waren.
    »Frag mich nicht«, sagte Herc.
    »Heute nachmittag wolltest du mir etwas sagen …« erinnerte Katie ihn.
    Der Ladenbesitzer tat fast einen Luftsprung und erbleichte. Sonderbar. Sie sah, wie ihm das Blut buchstäblich aus den Wangen wich.
    »Was war es denn?« drängte sie.
    »Heute? Nachmittags? Kann mich nicht erinnern«, stammelte er. »Hier, dein Kleingeld. Da drüben ist das Telefon …«
    »Hercules!«
    Der nervöse junge Mann hörte endlich mit dem Theater auf, doch blieb seine Angst nicht zu übersehen.
    »Was wolltest du mir sagen?«
    Wider besseres Wissen schien Herc seinen Entschluß umzustoßen. »Da war eine Zusammenkunft«, stammelte er und drehte dauernd den Kopf nach allen Seiten. »Im April. Im Bestattungsinstitut von Dolph Pelser. Mauslocher berief die Versammlung ein. Es kamen fast alle, die Landbesitz haben. Sogar Ma ging hin …«
    »Und worum ging es da?«
    »Ich … ich weiß nicht.«
    »Und warum ausgerechnet dort?«
    »Im Bestattungsinstitut? Gott weiß, warum. Ma sagte mir nichts. Aber sie schien so … so glücklich, richtig aufgekratzt, als sie zurückkam und …«
    »Warum nur? War Pa auch dabei?«
    »… und … ja, … und der Reverend … und …«
    »Und was?«
    »Als Mama zurückkam, hatte sie Erde an den Händen. Und sie hat doch niemals …«
    »Erde?«
    »Ach …«
    Die Türglocke bimmelte.
    »Na, wenn das nicht wieder die kleine Katie ist«, trompetete Barney, der Dorfpolizist. »War eben drüben im Haus des Reverends. Wir spielten ein Partie Bridge. Eigentlich spiele ich ja Poker lieber, er übrigens auch, aber er meint wohl, daß Bridge schicker ist. Auch langweiliger. Hat mich wieder geschlagen. Natürlich hat er den lieben Gott auf seiner Seite. Na, ich sehe aus dem Fenster, steht da nicht euer alter Wagen, und ich sage zum Reverend: ›Ich muß mal rüber, dem alten Ben guten Tag sagen.‹«
    Sein Lächeln erlosch, und er streckte Katie seinen Armstumpf entgegen.
    »Hast du vorhin beim Einkauf etwas vergessen?« fragte er, ganz der joviale, betuliche Dorfsheriff, doch seinen Argwohn konnte er nicht verbergen.
    Katie fühlte sich belauert, und das machte sie nervös. Warum lungerte Barney dauernd hier herum?
    »Schrecklich, was dem armen Herc passiert ist«, sagte sie und sah Barney offen in die Augen.
    Das merkte er, und das machte ihn nun selbst nervös. Er schien sogar einen Schritt zurückzuweichen.
    »Ach, das war doch gar nichts«, sagte er schließlich. »War nicht bös gemeint. Herc und ich, wir beide wollten nur unsere Muskeln spielen lassen. War es nicht so, Herc?«
    Wieder ein Nicken.
    »Menschenskind, als ich seinen Arm auf den

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