Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
Vom Netzwerk:
wäre vergeudet, suchtest Du nach den Krümeln des Frühstücks vergangener Tage. Die Wissenschaft wird Dir helfen, die Dunkelheit zu verbannen, vor der sich der Mensch all die Jahre fürchten musste. Die Monster, die in der Dunkelheit lauern, sind fort. War unser Treiben nicht all die Jahre wider der natürlichen Ordnung? Trauere nicht um die Macht, welche Dir von dunkelster Seite zur Verfügung stand. Niemals wieder wirst Du sie spüren. Aus eigenen Erfahrungen wissen wir, dass auch einem Zauberer, entgegen vielen Behauptungen, nicht das Geschenk ewiger Jugend vergönnt war. Jedoch verlief der Prozess der Alterung langsamer und weniger harsch. Wir blieben beweglich, schwungvoll, frei von Gebrechen. Sei Mensch, mein Bruder. Altern wirst Du, weiß werden, faltig und klapprig. So war es gewollt, so wird es geschehen. Es ist schwer, nach all den Jahren einzusehen, dass man stets ein Diener der finstersten Mächte war. Niemals kann aus dem Schlechten das Gute erwachsen. Und schau über Deine Schulter.
    Persönliche Notizen von Schwarzer Laaber, letzter oberster Kanzler der Farralot, Neunseen, in den Zeiten des Wandels.
     
    Hallimasch schloss das Buch. Seit vielen Jahren gaben Laabers Ausführungen Anlass zur Diskussion unter seinesgleichen. Wer weiß, unter welchem Zwang der alte Zauberer damals bereits stand, der Macht beraubt und in Angst um das eigene Wohl? Doch hatte Hallimasch die Zeilen gefunden, die er suchte: „Wir blieben beweglich, schwungvoll, frei von Gebrechen.“ Er nahm die nutzlose Brille zur Hand. „Könnte es sein? Ich muss mit Adalar sprechen!“ Er löschte das Licht und verließ den Keller. In der Küche setzte er Teewasser auf. In dem kleinen Spiegel über der Spüle erblickte er sein Gesicht. Ganz nah ging er heran und strich sich mit der Hand über die tiefen Falten um seine Augen. Nach einer Nacht wie der letzten sah er wirklich gezeichnet aus. Hallimasch dachte, dass die Falten in seinem Gesicht die Landkarte seiner Seele waren. Aber dies war ein wirklich wildes Land.
    „ Altern wirst Du, faltig und klapprig“, wiederholte er. „Ewige Jugend ist nicht das, wonach ich trachte. Es ist das innere Feuer, das flackert.“
    Das Pfeifen des Teekessels riss ihn aus seinen Gedanken. Er nahm ihn vom Feuer, und während der Tee zog, kleidete sich Hallimasch in seinen grauen Anzug. Den Zylinder ließ er weg, der war für besondere Gelegenheiten. Dafür kämmte er das lange Haar streng nach hinten und band sich drei Zöpfe in den Bart. Er nahm den Tee und verließ das Haus. Heute Vormittag waren die Straßen leer. Zweifelsohne hatte die Feier des Vortages damit zu tun. So gerne Hallimasch auf einen Plausch stehen blieb, heute begrüßte er die Leere. Er folgte der Straße am Spineus entlang, überquerte eine kleine Brücke und bog ab Richtung Norden. Hier wurden die Straßen breiter, und an der Ecke, direkt vor dem Laden von Bäcker Blomsch, stand eine Gruppe von Leuten in Geschwätz vertieft. Diskutieren bestimmt noch die Worte der Bendith Geserith. Er bog um eine weitere Kurve, nahm eine Abkürzung über eine kleine Hecke, sprang über einen Bach und kletterte leichtfüßig die steile Uferböschung rauf. Alles, ohne seinen Tee zu verschütten. Dort stand das Haus Amber. Der altehrwürdige Kotten im Norden der Stadt war eines der wenigen frei stehenden Häuser. Es war niedriger als die schmalen Steinhäuser, und das alte Fachwerk war schief geworden über die Jahre. Das bröckelige Mauerwerk war ein beliebter Nistplatz für Schwalben. Hallimasch öffnete das quietschende Gartentor, schritt über den Kies und klopfte an die Tür.
    „ Komm rein“, rief eine Stimme aus dem Inneren.
    Hallimasch trat ein. Die gesamte Fläche des Hauses war ein großer Raum. Die zahlreichen Fenster reichten bis zum Boden. Nach oben konnte man bis in den Giebel schauen. Dies war das genaue Gegenteil von Hallimaschs Haus. Es war freundlich, hell und geräumig. Neben dem offenen Kamin, am hinteren Ende des Raumes, saß Adalar.
    „ Nimm Platz“, sagte er, ohne von seiner Lektüre aufzuschauen. „Hab dich schon erwartet.“ Einige dunkle Strähnen seines langen Haares fielen ihm ins Gesicht. Die beiden kannten sich so lange, dass Hallimasch die Unaufmerksamkeit des Hausherrn nicht als unfreundlich empfand. Er nahm auf dem Sofa gegenüber dem Schreibtisch Platz.
    „ Ist das nicht ein Ärger?“, fragte Adalar und kritzelte seine Unterschrift auf ein Pergament. Hallimasch nippte an seinem Tee und begann, seine Pfeife zu

Weitere Kostenlose Bücher