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Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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so trug er sie nur zu Hause oder zum Lesen. Er setzte sie auf seine Nase und stutzte. Das große Bild, welches seit einer halben Ewigkeit am Fuße des Bettes die dunkle Steinwand zierte – es zeigte einen als Clown verkleideten Lindwurm - war verschwommen. Er nahm die Brille ab. Das Bild war scharf. Mehrmals wiederholte er das mit demselben Ergebnis. Nachdenklich kratzte er sich den Bart und warf den Kopf in den Nacken, um den Zipfel seiner weißen Schlafmütze aus seinem Blickfeld zu entfernen.
    „ Wie kann denn nur …? Ich muss was nachschlagen.“
    Es war wohl die Aufregung, die ihn nicht bemerken ließ, dass es der erste Morgen seit Ewigkeiten war, an dem er ohne Rückenschmerzen das Bett verließ. Hier knarrte nur der alte Holzboden, nicht die alten Knochen. So schlüpfte er in die karierten Hausschuhe und eilte mit wehendem Nachthemd durch das Treppenhaus ins Erdgeschoss und direkt weiter in den Keller. Hallimasch entzündete ein Streichholz. Der Docht der alten Petroleumleuchte fing flackernd Feuer und beleuchtete den niedrigen Raum. Werkzeuge, seltsame Kolben und trockene Kräuter, die von der Decke hingen, warfen lange Schatten an die modrigen Steinwände. Hallimasch hing die Leuchte an einen Haken oberhalb des Tisches und setzte sich auf einen Holzschemel. Er zog eines der Bücher näher zu sich heran und setzte die Brille auf. Kopfschüttelnd nahm er die Brille wieder ab und begann zu lesen.
    „ Nein, das ist das falsche Kapitel“, murmelte er, leckte an seinem Daumen und blätterte ruhig ein paar Seiten weiter.
    „ Ja, das ist es!“
     
    Kapitel 18
    Vom Schwinden der Quelle und dem Eintritt in die goldene Zeit des Wissens.
    Nun war es nicht so, dass alle Macht allzeit bereit allen Dienern der hellen wie auch dunklen Seite gleichermaßen zur Verfügung stand. Ja, es gab sogar zahllose, die versuchten, die Quelle mit Geschenken und Schmeichelei auf ihre Seite zu ziehen. Als wäre es die Liebe eines jungen Mädchens, die sich mit Blumen und Konfekt erhaschen ließe. Dies zeigt nur, dass es unter jenen, die sich der Magie verschrieben, auch zahllose Windeier gab. Doch dazu später mehr. (Siehe Kapitel 39: Windeier, Anm. d. Ü.) Meine langjährigen Studien ergaben, dass die Quelle wankelmütig war wie ein Kettenhund. Ich schließe aus meinen Beobachtungen, dass sie sich wie die anderen uns umgebenden Naturkräfte an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich manifestierte. Nicht zuletzt lag es in der Hand derer, die danach trachten, die Magie zu nutzen. Historische Quellen über Begegnungen mit dem Nachtvolk belegen, dass auch jene, die scheinbar direktere Bezüge zur Magie hatten als wir, wenn sie nicht sogar direkt aus ihrem unredlichen Sumpf entsprungen waren, selbst diesen Schwankungen unterlagen. Mir scheint es jedoch, dass manch eines dieser Scheusale, die besonders Finsteren, die Magie anzogen wie die Motte das Licht. Skrupellose Zeitgenossen aus den Zirkeln der Magie brachte dies dazu, sich die Ungeheuer zu halten wie Haustiere. Unter diesem Verlust des guten Rufes leiden wir noch heute. Schande über euch! Mag es ein glückliches Geschick sein, dass dem so war. Weißt Du, wie die Konflikte der Vergangenheit verlaufen wären, hätte diesen widerlichen Scheusalen stets allein die gewaltige Macht der Magie zur Verfügung gestanden? Auch wenn dies zuletzt der Fall gewesen sein mag, waren sie der puren Übermacht der Menschen nicht gewachsen. Für mich ist es zweifelsfrei bewiesen, dass die Brut der Nacht sich diese Macht auf zwielichtigem Wege angeeignet hatte. Die Quelle unterschied nicht zwischen richtig und falsch. Die Frage von Ursache und Wirkung der Ereignisse weiß selbst ich nicht abschließend zu klären. War es das Verschwinden des Nachtvolkes, das uns den Fluch der Magie aus den Händen nahm? Waren es die Umstände dessen, wie es geschah? Oder war eben das Verschwinden der Magie der Auslöser der Kette von Ereignissen, die uns Menschen den rechten Platz im Universum zurückgab: die alleinige Herrschaft über die Erde mit all ihren niederen Geschöpfen. Hadere nicht, Zweifler, wenn Dir Dein Leben lieb ist. Die Wege waren die Rechten. Und die neuen Herren sagen uns: Die Magie wird im Strudel der Zeit in Vergessenheit geraten wie eine böse Seuche! Es ist Dir verboten, von ihr zu sprechen! Du wirst Leid an Leib und Leben erfahren, solltest Du es wagen! Setzte auf das richtige Pferd! Sein Name ist Fortschritt! Es galoppiert schnell! Spring jetzt auf! Dein Intellekt

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