Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)
Dämonen mit bösen Grimassen und langen Klauen.
Sie betraten das Foyer. Den Fußboden schmückte ein großes Mosaik, es stellte den See und die Berge dar. An den Seiten des Raumes schwangen sich gewundene Treppen in die Höhe. Sie führten auf eine hölzerne Empore, von der zu beiden Seiten Flure abgingen. Die Treppen waren mit roten Teppichen belegt. Unter der Empore war eine breite Holztür. Sie schwang auf, und heraus trat ein kleiner Mann im Frack. Grellon musste an Pinguine denken. Der Mann setzte sich eine runde Brille auf die spitze Nase und musterte sie unter halb geschlossenen Lidern. Das schüttere Haar stand ihm wirr vom Kopf, seine Wangen hingen herab wie die Lefzen eines Hundes. „Sie wünschen?”, näselte er. Er deutete eine Verbeugung an.
„ Wir sind mit Adalar verabredet, Ansbert”.
„ Madame Farrah. Ich habe Sie gar nicht erkannt.”
„ Wie immer Ansbert. Wie immer.”
„ Folgen Sie mir bitte in den großen Saal. Sie werden erwartet.” Ansbert schritt schwankend voran, die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
Sie betraten den kreisrunden Saal. Grellon fühlte sich klein, umgeben von den erhöhten Rängen. Vor Kopf befand sich ein stattliches Rednerpult.
„ Und wo werden jetzt die Löwen reingelassen?”, scherzte er. Der Butler schloss wortlos die Tür und war verschwunden. Mit ihm ging das Licht.
„ Wieso muss hier immer alles im Dunkeln passieren?”, ärgerte sich Grellon. Durch die bleiverglaste Decke schien der Mond. Eine Tür quietschte. Schritte. Die Silhouetten zweier Personen. Sie platzierten sich hinter dem Pult.
„ Kinsella?“
Grellon sah, dass eine Gestalt sich über das Pult beugte und in die Dunkelheit hinab spähte.
„ Bist du da?“
„ Ich bin da. Und ich weiß, dass du im Dunkeln gut sehen kannst, Adalar.”
„ Erwischt”, lachte Adalar. „Ich habe Ansbert gebeten, ein paar Kerzen zu bringen. Verzeih die Umstände. Der große Saal ist nicht sehr gemütlich.”
„ Nein, das ist er wirklich nicht”, bestätigte Kinsella.
„ Aber es ist leider Vorschrift, dass ordentliche Anhörungen hier stattfinden müssen.”
„ Ich weiß. Wer ist da bei dir?“
„ Oh, entschuldige. Hallimasch ist als Schreiber bei mir. Und Sie sind Herr Blutgut, richtig?“
Grellon starrte verkniffen in die Dunkelheit. „Richtig. Ich grüße Sie.”
„ Und ich grüße Sie. Vielen Dank, dass Sie so schnell kommen konnten. Ich möchte Kjeir jede Minute in Unfreiheit ersparen, wenn wir seine Unschuld beweisen können.”
„ Das ist ganz in meinem Sinne”, sagte Grellon.
„ Wo ist Ihr Sohn?”, fragte Hallimasch.
Grellon erkannte die Stimme wieder.
„ Rolo geht es leider nicht so gut. Er ist nicht ernsthaft verletzt, kann sich aber an nichts erinnern.”
„ Das erschwert die Sache natürlich”, raunte Adalar. „Ich vermute, Sie haben mit ihm über die Geschehnisse gesprochen? Ja? Gut. Bitte erzählen Sie. Beginnen Sie mit Ihrer Ankunft in Neunseen. Ruhig so detailliert wie möglich. Bitte!“
Und Grellon berichtete. Während er sprach, kehrte Ansbert zurück und verteilte dreiarmige Kerzenständer auf den Tischen. So sah Grellon Adalar zum ersten Mal. Sein Alter konnte er unmöglich erraten. Er hatte langes, dunkles Haar, das zu einem lockeren Zopf gebunden war. Seine Augen strahlten hell und aufmerksam im Schein der Kerzen. Bartstoppeln gaben seinem Aussehen etwas Verwegenes. Er erinnerte Grellon ein wenig an einen Kampfsporttrainer mit seiner luftigen Leinenkleidung und der drahtigen Figur. Hallimasch saß mit gesenktem Haupt daneben. Er schrieb, und seine geflochtenen Bärte schwangen bei jeder Bewegung. Er trug wieder den großen Zylinder aber keine Brille. Kinsella hielt sich zurück, stand Grellon jedoch zur Seite. Sie nickte aufmunternd, wenn sich ihre Blicke trafen. Hier und da flüsterte Hallimasch Adalar etwas zu. Adalar stellte dann manche vertiefende Frage oder wollte mehr Details wissen. Alles in allem empfand Grellon die Atmosphäre jedoch als angenehm. Bis zu dem Moment, als die Neolinga den Raum betraten. Die Tür knallte gegen die Wand, als wäre sie mit einem Tritt aufgestoßen worden. Grellon unterbrach seine Ausführungen und blickte sich um. Sechs große Gestalten betraten den Saal. Im Gegenlicht des Foyers konnte er sie nicht erkennen. Aber sie marschierten mit der stolzen Haltung von Soldaten. Eine von ihnen stürmte vor das große Pult.
„ Ich verlange, dass mein Sohn augenblicklich freigelassen wird!“
Grellon konnte sich denken, wer
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