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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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Es gab keinerlei Möglichkeit,
sich zu verbergen. Die Pfützen waren so tief, dass das schlammige Wasser ihnen
bis in die Ohren spritzte. Sie liefen dicht an der Wand entlang bis zur
nächsten Ecke. Kotze erwartete sie bereits.
    „Brrr. Brrr!
Brrr?“
    „Er sagt,
dort ist der Platz, den wir von der Straße aus gesehen haben. Voll mit Autos
und Leuten. Alle in heller Aufregung. Wie viele es genau sind, konnte er bei
dem Durcheinander leider nicht zählen.“
    Rolo
stutzte. „Das hat er gesagt?“
    „Wenigstens
so ungefähr“, bekräftigte Driftwood.
    „Da kommen
wir nie vorbei, ohne gesehen zu werden“, meinte Socke.
    „Und ich
fürchte, genau das ist der Weg, den wir nehmen müssen“, spekulierte Rolo.
    Socke wrang
seinen Schwanz aus wie ein Badetuch. „Vorschläge?“
    Driftwood
setzte an, doch Socke kam ihm zuvor.
    „Vorschläge,
die nicht damit zu tun haben, alle zu töten!“ Driftwood schwieg.
    Rolo hatte
eine Idee. „Was ist denn mit der Unsichtbarkeit? Wie in der Tankstelle?“
    „Was soll
damit sein?“, wollte Driftwood wissen.
    „Kriegst du
das für uns alle hin?“
    „Für eine
kleine Weile bestimmt.“
    „Na dann
los.“
    Socke nickte
aufmunternd. „Um so schneller sind wir aus dem Regen raus“, sagte er.
    „Ja, aus dem
Regen raus“, schnaubte Driftwood. „Stillhalten jetzt!“
    Rolo
erwartete, dass sich das Rambazamba vom Friedhof wiederholen würde. Aber nichts
dergleichen geschah. Dann fiel ihm wieder ein, dass die Alben auch in der
Farralot gezaubert hatten, ohne dieses Spektakel. Offenbar gab es verschiedene
Arten von Magusch. Driftwood murmelte nur ein Wort, und Rolo sah staunend, wie
seine Arme verschwanden. Das Rot der Backsteinmauer schimmerte hindurch, dann
waren sie weg. Als auch seine Beine sich in Nichts aufzulösen schienen, verlor er
kurz das Gleichgewicht. Er betastete seinen Körper. Noch alles da. Er hatte
sich nie Gedanken darüber gemacht, dass der Unsichtbare sich selbst auch nicht
sah.
    „Prima“, lobte
Socke.
    „Jetzt kein
Kaffeekränzchen halten“, mahnte Driftwood. „Ich muss mich kräftig
konzentrieren, um den Zauber aufrecht zu halten. Ab dafür!“
    Nur die
Bewegungen in den Pfützen verrieten Rolo, wo die Alben langgingen. Aber er
konnte ihnen nicht folgen.
    „Alles
klar?“, hörte er Socke fragen.
    „Nein. Ich
kann meine Beine nicht sehen.“
    „Gib mir
deine Hand.“
    Rolo spürte Sockes
tastende Pfote an seinem Arm. Er griff sie fest. Schon fühlte er sich sicherer.
Doch dieses Gefühl verschwand, als sie den ersten Schritt um die Ecke taten.
Der Platz war voll von Leuten. Socke führte sie ganz dicht an der Mauer
entlang. Wo war Driftwood nur abgeblieben? Dann ging alles ganz schnell. Die
Sirene des Feuerwehrwagens ertönte. Ein Feuerwehrmann stieg auf die Treppe zum
Führerhaus. Die Tür schwang auf und schleuderte ihn rücklings zu Boden. Seine
Kollegen halfen ihm gerade auf die Beine, als der Motor ansprang. Der Wagen
fuhr ruckelnd los. Mitten durch eine Gruppe von Bergleuten, die sich aufgeregt
zerstreuten, krachte er ins Pförtnerhäuschen. Scheiben klirrten und Wände
brachen. Es fiel zusammen wie ein Kartenhaus. Die Sirene kam leiernd zur Ruhe,
als die Trümmer den Wagen unter sich begruben. Aufgeregt liefen die Männer
zusammen.
    „Ablenkungsmanöver?“,
fragte Rolo.
    „Sieht so
aus“, seufzte Socke.
    Sie hatten
die Tür mit der Aufschrift Weißkaue erreicht. Rolo konnte Driftwoods Silhouette
im Regen erkennen. Zwar war der schwarze Nachtalb unsichtbar, aber die Konturen
seines schlanken Körpers reflektierten die Umgebung wie eine verspiegelte
Statue. Ruhigen Schrittes kam er über den Platz. So betraten sie das Gebäude
unbemerkt. Augenblicklich fiel der Zauber von ihnen ab. Sie standen in einem
schwach beleuchteten Flur mit hell gekachelten Wänden. Sockes Blick verriet,
was er von Driftwoods letzter Aktion hielt. „Weiter“, zischte Driftwood und
lief voran. Sein Schwanz schwang unruhig. Er öffnete die Tür am Ende des Flures
einen Spaltbreit und lauschte.
    „Alles
klar.“
    Sie
gelangten in eine große Halle. Von der Decke hingen Körbe mit Kleidung. Das
Rauschen des Regens klang dumpf durch die matte Fensterfront. Stetig tropfte
Wasser aus den Pelzen der Alben auf den nackten Betonboden.
    „Wo ist
eigentlich Kotze?“, fiel Rolo ein. Seine Worte hallten.
    „Der kommt
schon klar“, entschied Driftwood. „Weiter!“
    Sie
durchquerten die Halle im Gänsemarsch. Der nächste Raum, nur erhellt von kaltem
Neonlicht, war

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