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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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niedrig und fensterlos. Regale reihten sich aneinander. Sie
waren vollgestopft mit technischen Geräten, die Rolo nicht kannte. Die Alben
interessierten sich überhaupt nicht dafür und orientierten sich. Rolo zögerte.
Ihn überkamen arge Zweifel, ob sie auf dem richtigen Weg waren. Da hörte er ein
Poltern. Driftwood und Socke schoben die Flügel einer großen, grauen Metalltür
auseinander. Dahinter, am Ende einer noch größeren Halle, lagen die Aufzüge für
die Fahrt unter Tage. Die Alben betraten die Halle, und Rolo folgte ihnen.
Dampfende, brummende Maschinen säumten ihren Weg. Die Aufzüge hingen an dicken
Seilen. Sie strebten viele Etagen durch vergitterte Schächte aufwärts. Bis
unter die hohe Decke. Der Wirrwarr aus Balkonen und Treppen, der die verschiedenen
Ebenen miteinander verband, erinnerte Rolo an die Farralot. Vor den Aufzügen stand
ein großes, eckiges Pult mit blinkenden Lichtern. Es war mehrere Meter breit. Als
Rolo seinen Blick die Armaturen entlang schweifen ließ, bemerkte er einen
wirren Haarschopf, der dahinter hervorragte. Er stupste Socke an und deutete
auf seine Entdeckung. Socke seufzte, und machte Driftwood darauf aufmerksam.
Driftwood schnitt eine Grimasse und sprang leichtfüßig auf das Pult. Er fasste den
Haarschopf und zog den Unglücklichen aus seinem Versteck. Der Mann bibberte am
ganzen Körper. Seine Augen waren helle Punkte in einem kohlrabenschwarzen
Gesicht. Er bekreuzigte sich.
    „Wir müssen
da runter“, knarzte Driftwood.
    Der Mann
zuckte wie geohrfeigt. „Das geht nicht. Grubenwasser“, keuchte er atemlos.
    Driftwood blickte
ihn an wie die Schlange das Kaninchen. Der Bergmann versuchte, den Kopf
abzuwenden, aber Driftwood hielt ihn fest.
    „Bitte!“
    „Also gut“,
stammelte der Mann. „Wo wollt ihr denn hin?“
    „Oh“, stutzte
Driftwood. „Wo wollen wir denn hin?“, rief er Socke und Rolo zu.
    Die beiden
steckten die Köpfe zusammen.
    Driftwood
nickte dem Mann aufmunternd zu. „Geht gleich weiter.“
    Als sie zu
einem Ergebnis gekommen waren, trat Rolo zu Driftwood.
    „Gibt es
hier alte, stillgelegte Stollen?“
    „Was du
meinst, sind Strecken. Die gibt’s. Sind aber schon ewig abgeworfen und in
Verwahrung. Das heißt, die sind mit Schotter und Beton befüllt.“ Der Bergmann
klang etwas weniger ängstlich als zuvor.
    „Fahren wir
doch einfach mal runter“, schlug Driftwood vor. Der Bergmann lachte. „Einfach
mal runter? Wisst ihr, wie viele Kilometer Schächte da unten sind?“
    „Nein. Wie
viele denn?“, fragte Driftwood mit ehrlichem Interesse.
    „So geht das
nicht“, befand Rolo. „Wir brauchen einen Anhaltspunkt. Eine Spur. Irgendwas.
Wir wissen ja nicht mal, was wir suchen.“
    Das Unbehagen
des Bergmanns wuchs sichtbar, als Socke näher kam, obwohl er freundlich grüßte,
wie es seine Art war. Er wühlte in seiner Tasche und beförderte das Eiphon
hervor. „Vielleicht hilft uns das.“
    Rolo nahm es
in die Hände. Und in diesem Moment begann es hell zu leuchten und tauchte Rolos
Gesicht in einen goldenen Glanz.
    „Wie machst
du das?“, staunte Driftwood.
    „Ich hab
keine Ahnung“, flüsterte Rolo.
    Wie
schemenhafte Silhouetten im Gegenlicht des Vollmondes erschienen Symbole auf
der Oberfläche des Eis. Rolo widerstand dem Drang, das unheimliche Ding
fortzuwerfen, und ließ es seinen Zauber auf der ausgestreckten Hand vollziehen.
Und obwohl das goldene Licht so hell schien, es blendete nicht. Sie sahen, wie
die Symbole wie Würmer über die Oberfläche des Eis krochen und sich zu
symmetrischen Mustern verbanden. Driftwood ließ von dem schlotternden Bergmann
ab. Der ergriff die Gelegenheit beim Schopf und rannte wie von Sinnen davon.
Doch als er gerade die Tür erreicht hatte, schleuderte Driftwood einen Zauber hinterher.
Er traf den Mann im Rücken und streckte ihn nieder.
    „Entschuldigt,
ich war kurz abgelenkt.“ Driftwood brachte sein Gesicht ganz nah an das Ei.
Seine braunen Augen reflektierten das Licht. „Was tut es nur?“
    Unter
anderen Umständen hätte Socke Driftwoods Verhalten bestimmt nicht ungetadelt durchgehen
lassen. Aber auch der vernünftige Nachtalb war völlig verzaubert.
    „Die Symbole
kommen und gehen. Aber sie ergeben keinen Sinn.“
    „Vielleicht
eine Geheimsprache?“, mutmaßte Driftwood.
    „Oder ein
fremder Dialekt?“, grübelte Socke.
    „Vielleicht
mal anstupsen“, meinte Rolo.
    „Oder was
sagen?“, rätselte Socke.
    „Gute Idee!
Sprich mit ihm!“ Sockes Nase stieß fast gegen das Ei, so

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