Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
Vom Netzwerk:
gibt. Die drei
großen Erhebungen des Nachtschattentals kannst du sehen, wenn du zwischen den
Bäumen hindurchschaust.“ Paps deutete mit den Armen irgendwo ins Grün. „Ich
glaube, sie liegen hier, da und dort. Ach, der Kater.“ Er lief zum Auto und
hievte den Transportkorb von der Rückbank. „Das Ganze ist nahezu kreisrund. Von
Nord nach Süd dauert es Tage, um es zu durchqueren. Von Ost nach West auch.
Hier drinnen gibt es so viele Seen und Flüsse, die alle miteinander in
Verbindung stehen, dass die Neunseener nahezu alle weiten Strecken mit Booten
zurücklegen. Oder zu Fuß, wegen der dichten Wälder. Autos gibt es hier kaum.“
    Er stellte
den Transportkorb neben dem Wagen auf die Erde. Zu beiden Seiten der Straße
wuchsen dichte Himbeerbüsche. Dahinter erhob sich der Wald. Weißbirken, Kiefern
und Erlen. Sie standen nicht sehr dicht, und so konnte die Nachmittagssonne
zwischen den lichten Baumkronen hindurchscheinen.
    „Seltsam,
ich höre gar keine Vögel“, bemerkte Paps, öffnete den Korb und trat beiseite.
„So, der Herr. Pinkelpause.“
    Igel machte keine Anstalten herauszukommen.
Rolo ging in die Hocke.
    „Na, was ist
denn los, mein Junge? Beleidigt?“ Er versuchte, den Kater vorsichtig aus dem
Korb zu schieben. Igel knurrte.
    „Er will
nicht“, rief Rolo seinem Vater zu, der am Straßenrand auf und ab lief und die
Arme schwang.
    „Dann lass
ihn. Vielleicht sind hier Füchse in der Nähe.“
    Nachdem der
Kater wieder auf der Rückbank verstaut war, setzten sie ihren Weg fort. Die
Straße war bald nur noch ein Feldweg, uneben und schmal. Der Wald wurde
dichter. Rolo wollte unbedingt bald darin herumstreunen . Wie dunkel
musste es erst in der Nacht sein.
    „Das hier,
mein Sohn, ist wahrscheinlich der letzte Urwald in unserem Land. Er bedeckt
mehr als die Hälfte des ganzen Tals. Besonders zum Gebirge hin steht er dicht.“
    Rolo hörte
nicht zu. Er war mit den Gedanken bereits tief in den Wäldern. Flüsse verliefen
parallel zur Straße oder kreuzten diese. Sie überquerten eine Brücke. Die Ufer
waren steil und ausgewaschen, sodass die Wurzeln der Pflanzen offen lagen. Ein
üppiger Bewuchs von Schilf beherrschte das Bild. Ein kleiner See in einer
Waldlichtung ließ Rolo wieder an das Buch denken.
    „Sag mal,
Paps, was ist das eigentlich für ein Wälzer in deinem Koffer?“
    „Was meinst
du?“
    „Na das Buch.
Dieses riesige Ding, womit du seit Tagen durchs Haus marschierst.“
    „Ach, das
Buch. Das ist eine interessante Geschichte. Ich entdeckte es in den Archiven
des Museums, als ich mich mit dem Ende der Kreuzzüge im Jahre 1291
beschäftigte. Das war nämlich so, das die Stadt Akkon in Galiläa als letzter
Stützpunkt der Kreuzfahrer durch den ägyptischen Mamelucken -Sultan
Chalil …“
    „Paps,
bitte, das Buch!“
    „Ach ja, das
Buch. Das ist eine interessante Geschichte. Ich entdeckte es zufällig in den
Archiven des Museums. Ich stand gerade auf der Leiter, um etwas in einem
höheren Regal zu suchen. Im hinteren Teil des Museums ist kein
Publikumsverkehr. Wir lagern dort die wirklich wertvollen Bücher. Die meisten
wären für den Laien auch nicht von Interesse. Sind überwiegend in lateinischer
Sprache verfasst. Ich stand auf der Leiter im alten Lesesaal. Da fiel mir auf,
dass ein Buch keine Katalognummer auf dem Rücken hatte.“
    Rolo
seufzte.
    „Okay, mein
Sohn, jetzt pass auf: Dieses Buch ist überhaupt nicht in den Katalogen des Museums
zu finden. Ist das nicht spannend? Ich ließ eine Probe des Ledereinbandes im
Labor analysieren, um ihm auf die Schliche zu kommen. Das Labor datierte es auf
ca. 2000 Jahre vor Christus. Herrje, da war das Papier noch lange nicht
erfunden. Natürlich könnten Einband und Papier erst später zusammengefügt
worden sein. Aber wer macht denn so was? Und warum? Das ganze Buch ist mit
einer schwarzen Tinte geschrieben. Sie ist seltsam verblasst und stinkt bei
feuchtem Wetter. Laut Labor ist es eine nicht genauer zu definierende
organische Verbindung. Ist das nicht rätselhaft? Erwartet hätte ich eigentlich
ein Gemisch aus Ruß, Öl und Leim. Daraus waren nämlich die ersten Tinten, musst
du wissen. Ich wollte schon die alten Museumskataloge wälzen, was wirklich eine
Sisyphosarbeit geworden wäre, aber dieses Buch hat keinen Autor. Nein, das ist
nicht ganz korrekt. Richtig wäre zu sagen, wir können den Autor nicht
ermitteln. Das ganze Werk ist nämlich in einer Sprache verfasst, die wir nicht
verstehen. Ich bin nahezu jedem Wort

Weitere Kostenlose Bücher