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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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aus Ihrem
Turm zu klettern.“
    Der Wächter
grinste. „Nein, wärt ihr nicht.“ Er steckte zwei Finger in den Mund und pfiff.
Die runden Fenster in den oberen Stockwerken der umliegenden Häuser wurden
aufgestoßen. Vermummte Gestalten mit Kapuzen schauten hinaus. Ihre gespannten
Bögen richteten sie auf die Straße. Der Wächter schaute die Blutguts
herausfordernd an.
    „Ich glaube,
wir haben die Sache hier falsch begonnen“, versuchte Paps zu beschwichtigen.
„Wir wollen nichts Böses.“
    Der Wächter
nickte, und die Fenster schlossen sich der Reihe nach mit lautem Knallen.
    Paps bemühte
sich um einen ruhigen Ton. „Fangen wir doch noch mal an. Unsere Namen kennen
Sie ja bereits. Wie ist ihrer?“
    Der Wächter
salutierte militärisch. „Man nennt mich Hwarf.“
„Und Sie sind hier so eine Art Wache?“
    „Nein, nicht
so eine Art. Ich bin heute hier die Wache. Kommandiere die Nachtwehr.“
    „Warum muss
Neunseen denn bewacht werden?“, fragte Rolo. Er hatte sich schon wieder
abgeregt.
    „Davon
verstehst du nichts“, entgegnete Hwarf knapp.
    „Wohnen Sie
dort oben im Tor?“
    „Wohnen?
Nein. Ich bin hier auf Wache. Ich wohne … äh.“ Hwarf machte ein nachdenkliches
Gesicht. „Ich weiß nicht mehr, wo ich wohne.“
    „Und die
Bogenschützen?“ Rolo deutete rauf zu den Fenstern.
    „Das ist die
Nachtwehr von Neunseen“, erklärte Hwarf. „Hat eine lange Tradition hier. Teil
der Ausbildung. Jeder wird in der Schule auch im Bogenschießen ausgebildet. War
immer so. Bleibt so. Unterstützen die Neolinga. Schauen hier und da nach dem
Rechten. So lungern sie nicht nur rum und machen Unsinn.“
    „Das ist ja
Hammer“, staunte Rolo.
    „Nein, mit
Schmieden hat das nichts zu tun“, meinte Hwarf kopfschüttelnd. „Die Ausbildung
zum Schmied ist ein anderes paar Schuhe. Was mich wiederum zu den Schustern
bringt, welche ihre Werkstätten in der Nähe der Zimmerleute haben. Gleich hier
um die Ecke. Natürlich arbeiten die Hand in Hand mit den Bootsbauern. Die sind
drüben am See. Boote bauen geht natürlich nicht ohne die Baumhüter. Die
verstehen sich leider nicht so gut mit den Bauern. Ist ja auch ein hartes Brot,
die Landwirtschaft. Hartes Brot backen übrigens auch unsere Bäcker, ganz
vorzüglich ist das. Solltet ihr probieren …“
    „Bogenschießen,
in der Schule?“, unterbrach ihn Rolo.
    Hwarf
rümpfte die Nase. Rolo war ganz aus dem Häuschen.
    „Kann da
jeder hin? Was wird denn da noch unterrichtet?“
    „Na, so ganz
genau weiß ich das auch nicht mehr. Ist lange her bei mir. Bin ja nicht für
alles zuständig. Hat sich bestimmt Einiges getan seit damals. Früher war das
Bogenschießen, Schleichen, Fallen stellen, Kräuter sammeln …“
    „Meinen Sie,
ich könnte da auch mitmachen?“
    „Hm.“ Hwarf
kratzte sich nachdenklich am Kopf und musterte Rolo.
    „Du? Das
weiß ich nicht. Das gab es noch nie, so weit ich weiß. Gibt es keine Schulen,
da wo du herkommst? Ach, was kümmert mich das Elend anderer Leute. Da solltest
du mal mit Adalar drüber sprechen. Der wird es wissen. Ist der Schulleiter. Ja,
den frag mal. Vielleicht kann Madame Farrah da ein gutes Wort für dich einlegen
beim werten Adalar.“
    „Da müssen
wir erstmal in Ruhe drüber reden“, wandte Paps ein. „Jetzt sind ja auch erstmal
Ferien.“
    „Und wo
finden wir diesen Herrn Adalar?“, fragte Rolo.
    Paps
seufzte.
    „Nicht Herr
Adalar. Einfach nur Adalar“, erklärte Hwarf. „Na, jetzt wahrscheinlich unten am
See. Da sind jetzt alle. Heute wird gefeiert. Ach je, die Feier, die hab ich
ganz vergessen. Da muss ich hin.“ Er schaute an sich hinab. „Aber nicht so.
Muss mich umziehen. Immer diese Eile. Wenn ich nur wüsste, wo …“ Hwarf
betrachtete nachdenklich die umliegenden Häuser. Plötzlich erhellte sich seine
Miene. „Ach, jetzt weiß ich wieder.“ Zielstrebig steuerte er auf das erste Haus
zu, direkt hinter dem Stadttor. „Ihr wartet hier!“, rief er über die Schulter
und schloss die Tür mit einem Knall.
    Die Blutguts
rührten sich nicht. Sie wollten keine nähere Bekanntschaft mit den
Bogenschützen machen.
     
     

Kapitel 5
    Die Nachmittagssonne warf lange Schatten über die
stillen Gassen von Neunseen. Die Blutguts standen geduldig in der Mitte der
Straße. Ihr Gepäck lag zu ihren Füßen. Der Kater schlief im Korb. Rolo
versuchte, unauffällig zu den Fenstern der Häuser hinauf zu schauen, wo die
vermummten Bogenschützen verschwunden waren. Mit vor der Brust verschränkten
Armen

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