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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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nachgegangen, das mir auch nur im Entferntesten
bekannt vorkam. Nichts. Ich hielt es erst für einen seltenen Dialekt und
kontaktierte alle mir bekannten Spezialisten auf dem Gebiet der
indogermanischen Sprachen. Fehlanzeige. Einige hielten es für einen Witz,
andere unterstellten mir sogar, ich hätte eine Fälschung erstellt, um mich
wichtig zu machen. Pah! Ich lese seit Wochen darin, in der Hoffnung, eine heiße
Spur zu finden. Hoffe nur, dass sich da niemand einen Scherz mit mir erlaubt.“
    „Was ist denn
mit den Zeichnungen? Helfen die nicht weiter?“
    „Die sind
mehr als rätselhaft. Wenn ich richtig liege, stellen sie Teile einer Geschichte
dar. Immer wieder taucht diese Frau auf. Meistens ist sie in Begleitung dieser
pelzigen Dinger. Ich vermute, es sind Kobolde oder so was. Auf manchen Bildern
scheinen sie die Frau anzubeten, auf anderen sieht es fast wie eine Jagd aus.
Die Kobolde schlagen Schlachten gegen Drachen und andere mythische Wesen.
Verrückte Sache. Die Zeichnungen sind wirklich wundervoll. So viele Details.
Hier ein Gesicht im Laub, da ein verstecktes Auge. Herrje, vielleicht ist das
Ganze auch nur ein wirklich altes Märchenbuch.“
    „Das kann ich
mir nicht vorstellen“, meinte Rolo.
     
     

Kapitel 4
    Hinter jeder
Biegung erschien es Rolo, als wäre das Grün des Waldes noch satter, die Luft
noch klarer. Ein Orchester aus Vogelgesang erfüllte die Luft. Eine leichte
Brise wehte. Die Katze schlief im Korb. Die Welt war in Ordnung. Rolo fragte
sich, wie viele Seen und Flüsse sie noch passieren würden bis zur Ankunft in
Neunseen. Außerdem war er sehr gespannt auf seine Tante. Dann wurde der Wald
lichter und endete. Das Zwielicht wich dem strahlenden Glanz eines Sommertages.
Paps setzte seine Sonnenbrille auf. Sie fuhren zwischen Wiesen dahin. Das Gras
stand knöchelhoch und wog sich gleichmäßig im Wind. Das Marschland gab den
Blick auf das Gebirge frei. Rolo staunte. Auch auf diese Entfernung vermittelte
es einen Eindruck von Erhabenheit und Größe, der ihm den Atem verschlug. Er
fühlte sich seltsam klein bei dem Anblick. Unvermittelt dachte er an eine Burg.
Eine schützende Festung mit hohen Mauern, gegen die die düsteren Horden eines
mörderischen Herrschers in wilden, längst vergangenen Zeiten anrannten. Ein
Schlagloch brachte ihn zurück. Drei schneebedeckte Gipfel überragten alles. Er
bemerkte, dass sein Vater sprach.
    „… und der
dort wird Drachenhort genannt. Tante Farrah wird dir die Legenden sicher gerne
erzählen, die sich um diese Gegend ranken. Und das sind nicht wenige. Und da
liegt Neunseen.“
    Jenseits einer
Erhebung tauchten Häusergiebel auf. Neunseen lag in einer Talmulde, umgeben von
Wiesen und Apfelbäumen. Dazwischen schlängelten sich Flüsse und Bäche dahin. An
den Ufern standen Mühlen. Die Mühlräder drehten sich sprudelnd im Wasser.
Hinter Neunseen lag ein See. Rolo konnte nicht mal schätzen, wie groß er sein
mochte. Boote glitten mit straffen Segeln auf ihm dahin. Neunseen schien ihm
wie aus dem Felsen des Gebirges gehauen, schon so viele Jahre hier zu stehen,
dass es wie ein Teil der Landschaft wirkte. Die Häuser waren hoch und standen
dicht gedrängt. Fensterläden und Türen, in allen Farben des Regenbogens,
verliehen dem Bild bunte Sommersprossen im grünen Gesicht des Tals. Den Ort
umschloss eine gewaltige Hecke.
    „Schön,
schön“, kommentierte Paps.
    „Wirklich
ein Knaller“, befand Rolo begeistert. „Lass uns runterfahren. Ich will es aus
der Nähe sehen.“
    Der Weg
führte bis vor das Stadttor.
    „Was Du uns
bringst, wird Dir doppelt gegeben“, las Rolo. Die Inschrift war in die höchste
Stelle des Stadttors gemeißelt.
    „Ist das
jetzt ein Willkommen oder eine Warnung?“
    Der Torbogen
war halbrund und über und über mit Efeu bewachsen. Nur die Inschrift war vom
Grün befreit. Ein rostiges Fallgitter schwang quietschend im Durchgang.
    „Die Hecke
ist voller Dornen“, meinte Rolo. „Wer da durch will, muss sehr dickhäutig
sein.“
    „Die Hecke
ist uralt und unglaublich verwuchert“, erklärte Paps. „Hält Tiere draußen.
Dieses Tor hier dient einem anderen Zweck. Zum einen soll es schön aussehen,
zum anderen wird es uns daran hindern, mit dem Wagen in die Stadt zu fahren.“
Mit diesen Worten parkte er auf der Wiese neben dem Weg. „Ab hier wird
gewandert.“
    Rolo nahm
den Katzenkorb von der Rückbank und schulterte seinen Rucksack. Paps trug
seinen ranzigen Lederkoffer unter einem Arm. Er verschloss das Auto

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