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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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Rest
der Nacht meinen Kopf suchen. Das ist Murks, Socke, großer Murks ist das.“
    „Dann die
dunkelste Nacht“, schlug Socke aufgeregt vor. Driftwood schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber es ist bereits ziemlich dunkel
hier.“ „Aber ein paar Sterne leuchten hell am Himmel. Und das Mondlicht?“
    „Pah, die
paar kläglichen Funzeln. Das hätte doch gar keinen Effekt bei all den Wolken.
Nein, wir brauchen etwas mit einem eindeutigen Ergebnis. Ich will wissen, wo
wir stehen. Ich weiß was. Warte hier!“ Blitzschnell verschwand Driftwood
zwischen den Bäumen. Nachtalben können sich sehr schnell bewegen, wenn sie
wollen. Dass Driftwood dabei ein gewaltiges Getöse veranstaltete, kam daher,
dass er sich einfach keine Mühe gab, leise zu sein. Socke blieb allein zurück.
Er wippte unruhig von einem Bein auf das andere. Obwohl Nachtalben in der
Dunkelheit sehen, war Socke nachts nicht gern alleine. Driftwood hingegen war
sich sicher, dass er es war, vor dem man Angst haben sollte in der Dunkelheit.
Er zertrat jeden morschen Ast und schlurfte durch jeden trockenen Laubhaufen.
Dabei fluchte er so laut, dass Socke ganz rote Ohren bekam. Driftwoods Taktik
war, sich wie eine Gruppe von riesig großen und völlig wahnsinnigen Trollen
aufzuführen. Darum machte er stets beeindruckend viel Krach und hinterließ so
auffällige Spuren, dass jeder mögliche Verfolger denken musste, dass hier etwas
vorbei gekommen war, das es überhaupt nicht nötig hatte, leise zu sein. Wer
wäre da nicht gewarnt gewesen. Als er kurz innehielt, um sich zu orientieren,
stieg ihm ein fauliger Geruch in die Nase. Er hatte gefunden, was er suchte. Es
war ein toter Hund. Zumindest glaubte Driftwood das. Das arme Tier lag schon so
lange am Fuß eines Baumes, dass nicht mehr eindeutig zu erkennen war, worum es
sich zu Lebzeiten gehandelt haben könnte. Selbst die Maden, die sich über den
Kadaver hergemacht hatten, waren schon zu Fliegen herangewachsen und hatten
eigene Familien gegründet.
    „Genau, was
ich suche“. Driftwood packte den Kadaver am Schwanz, oder an dem, was er für
den Schwanz hielt, und schleifte ihn hinter sich her. Er betrat die Lichtung
und ließ seine Beute stolz neben sich in den Staub fallen. Socke schaute
angewidert drein.
    „Oh,
Driftwood, ich bitte dich.“
    „Was denn?
“, erwiderte Driftwood verständnislos.
    „Was denn?
Das ist schon viel zu lange tot.“
    „Das kannst
du nicht beweisen.“
    „Aber es hat
nur noch ein Auge. Und die Hinterläufe hast du da hinten verloren.“
    „Die brauch
ich nicht.“
    „Und es hat
keinen Unterkiefer. Und da zwischen seinen Rippen sitzt jemand und schaut mich
an.“
    „Na lass ihn
doch gucken.“ Driftwood rieb sich die Pfoten. „Ich kann es schon fühlen. Das
wird ein Spaß.“
    Der
wahnsinnige Unterton ließ Socke erschaudern. Die beiden kannten sich eine
Ewigkeit, und Socke wusste nur allzu gut, dass der größtmögliche Ärger meist so
begann.
    „Drift“,
beschwor Socke, „ich bitte dich. Du kannst doch nicht ernsthaft mit Nekromantie
beginnen. Das ist gefährlich. Das arme Tier ist mausetot, und das schon sehr
lange. So was verschmutzt die Quelle. Und die natürliche Ordnung allen Seins.
Der Meister wird das nicht gutheißen.“ „Humbug. Wir müssen wissen, wo wir stehen,
Freund Socke.“ Driftwood betrachtete das tote Tier zu seinen Füßen. Die Würmer,
die es sich in dem faulen Fleisch gemütlich gemacht hatten, krochen eilig
davon. Ihnen schwante Böses, und sie hatten recht. Denn schon riss Driftwood
die Arme in die Luft. Sein Fell sträubte sich, und seine Füße versanken im
Boden. Socke wusste, was jetzt kam. Diesen Teil mochte er überhaupt nicht.
Kopfschüttelnd entfernte er sich, ohne Driftwood aus den Augen zu lassen.
    „Der Meister
wird das nicht mögen.“ Socke duckte sich hinter einem Baumstumpf, sodass nur
noch seine Ohren zu sehen waren. „Nicht mögen wird er das!“
    Das Braun in
Driftwoods Augen geriet in Bewegung. Wie trübes Wasser floss es über seine
Wangen. Seine Pupillen wuchsen und strahlten tiefschwarz. Doch dann keuchte er
angestrengt. „Socke?“
    Socke
schaute über den Baumstumpf. „Ja?“
    Rauch
entwich Driftwoods Augen. Er bemühte sich um einen gelassenen Ton. „Ich weiß
nicht weiter.“
    Zögerlich
kam Socke aus seinem Versteck hervor. „Das ist ein ganz schlechter Augenblick
für eine Pause, Drift. Du hast bereits die Elemente angerufen. Und das, wie ich
bemerken möchte, nicht besonders

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