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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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Kampfbereit fletschte
er die Zähne. Drei Irrlichter standen ihm gegenüber. Ihre Umhänge wehten, doch
es ging kein Wind.
    „Ihr seid
nichts! Nur Nebel und Finsternis!“ Plötzlich fühlte er eine Berührung. Zwei
Hände ergriffen seine Vorderläufe. Sie kamen aus der Straße unter ihm. Ohne zu
zögern, trieb Tweed seine Zähne hinein. Doch sie ließen nicht los. Wild warf er
sich hin und her, der Falle zu entgehen. Die Irrlichter kamen näher. Sie zogen
Stäbe, die in ihren Händen um ein Vielfaches länger wurden. Schon traf Tweed
der erste Hieb. Rasend vor Wut versuchte er, sich in den Stäben zu verbeißen.
Die Irrlichter schlugen abwechselnd zu. Mit grausamer Präzision zerschnitt
Schlag um Schlag die Luft. Plötzlich ließen sie von ihm ab, schauten ins Licht.
Scheinwerfer näherten sich durch den Nebel.
    Das ist eine
Hinrichtung, dachte Tweed. Seine Sinne schwanden. Die Gewänder der Irrlichter
verdunkelten die Sterne. Ein letztes Mal schlugen sie zu. Tweed jaulte und fiel
auf die Seite. Die Hände ließen von ihm ab. Die Irrlichter duckten sich und versanken
geräuschlos im Asphalt der Straße. Der Lichtkegel erfasste Tweeds reglosen
Körper. „Nein, nein, halt! Das ist falsch, ganz falsch.“
    Die Zeit
fror ein. Motoren verstummten. Die Autos rollten langsam aus und kamen zum
Stehen.
    „Ich sagte
den Irrlichtern, dass ich dich lebend brauche. Lebendig. Haben wohl den
Unterschied vergessen zwischen Leben und Tod.“
    Menschen
stiegen aus ihren Wagen.
    „Nein. Ihr
nicht. Schlaft!“
    Wie
Marionetten mit durchtrennten Fäden brachen die Menschen zusammen. Gespenstische
Ruhe trat ein. Im Nebel zeichnete sich eine Silhouette ab. Ein alter Mann kam
die Straße entlang. Sein Gehstock klackerte rhythmisch auf dem Asphalt. Klein
war er, ging gebeugt. Bei Tweeds reglosem Körper blieb er stehen.
    „Du bist
das“, staunte er. „Hätte nicht gedacht, dich noch mal zu sehen. Nach so langer
Zeit.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das dünne weiße Haar. „Immer machst du
Ärger. Manches ändert sich wohl nie.“ Er schaute in den Nachthimmel hinauf.
„Nein, mein Freund. Manches ändert sich wohl nie.“ Seine Stimme wurde zu einem
Flüstern. „Auch wenn die ganze Welt aus den Fugen gerät. Wir sind, was wir
sind. Aber nein, warte. Noch besser. Wir werden wieder sein, was wir waren! Und
weißt du was, mein Freund? Es hat gerade erst begonnen.“ Zweimal pochte er mit
seinem Gehstock auf die Straße, dann waren beide verschwunden.
     
     

Kapitel 9
    Das Feuer
war erloschen. Nur noch das Flackern der Glut spendete ein wenig Licht auf der
kleinen Waldlichtung. Doch das brauchen Nachtalben nicht, um in der Dunkelheit
zu sehen. Socke hatte die Schüssel auf den angewinkelten Beinen abgestellt. Er
schöpfte etwas Suppe auf den Löffel, pustete, und schlürfte sie vorsichtig.
Driftwood hatte seine Suppe direkt aus der kleinen Holzschüssel getrunken, die
jetzt zu seinen Füßen lag. Er starrte abwesend in die Baumwipfel. Das Feuer
beleuchtete nur einen Teil seines schwarzen Gesichtes. Die tanzenden Schatten
verliehen ihm etwas Wehmütiges. Eine leichte Brise entfachte eine kleine Flamme
in der Glut. Sie spiegelte sich in seinen Augen. Socke stellte seine karge
Mahlzeit beiseite und legte seinem Gefährten die Pfote auf die Schulter.
Driftwood schien es nicht zu bemerken. Doch dann klärte sich sein Blick. Er
tätschelte Sockes Pfote und drehte sich um.
    „Dackelkacke!
Ich kann mich kein Stück erinnern.“
    „Ach,
Drift“, seufzte Socke. Seine Augen waren glasig. „Der verfluchte Rauch.“
    Driftwood
nickte.
    „Meinst du,
dass wirklich alle fort sind?“, fragte Socke. „Nun ja, um den einen oder
anderen Trottel wäre es nicht so schade“, lachte Driftwood. Etwas leiser fuhr
er fort, als er Sockes ernsten Blick bemerkte: „Sieh doch, wir waren wirklich
lange weg. Und viel gesehen haben wir bisher auch nicht. Ich glaube, nein, ich
bin mir sicher, dass es nicht alle erwischt hat. Wir waren viele, und viele
waren schlau. Na gut, viele waren auch Idioten. Aber davon wiederum waren viele
sehr kleine Idioten. Oder auch feige Idioten. Sie könnten sich versteckt haben.
Na gut, dann sind sie bestimmt verhungert, aber immerhin.“ Driftwood schien
seine Rede für sehr tröstlich zu halten. Er lächelte so freundlich, wie es ihm
möglich war.
    Socke
schaute sehr betreten auf seine Füße.
    „Wenn hier
niemand mehr ist, dann nirgends“, murmelte er. Driftwood schüttelte sich.
„Alles nur wegen der Elben. Eine

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